1. Tag, Sonntag, 08.05.2011, Essen – Reuver (NL), 90,5 km,9:00-16:30 Uhr
Es ist sommerlich. Regine hilft mir, das Rad zu bepacken, dann geht es gegen 9:00 Uhr los. Zwei Straßenecken weiter merke ich, dass der Radcomputer noch gar nicht angebracht ist, stelle alle Werte auf Null und starte nun richtig. Früher habe ich Radcomputer immer für überflüssig gehalten, aber für so eine lange Tour habe ich mir doch einen von Tchibo zugelegt, um unterwegs ein paar objektive Daten zu erhalten. Durch Holsterhausen bis zur Wickenburg, von dort auf dem Radweg unterhalb der Margarethenhöhe bis MH. Durch MH und DU komme ich besser als gedacht. Hauptfeind in DU die Straßenbahnschienen. Heikel mit dem schweren Rad auf dem schmalen Streifen zwischen Schiene und Bordsteinkante zu balancieren. Fahre schließlich in der Schienenmitte. Radwege nur abschnittsweise. Schöne Sonntagmorgenstimmung. Typisches Ruhrgebiet. Jungen spielen auf Brache. Schon viel los vor dem Zoo. Orientiere mich mit Hilfe der Kartenfunktion im iPhone (Fußgängermodus). Besser als alle Routenplaner im Internet. Werde im Hafen von DU am Kreisverkehr fast angefahren. In Rheinnähe viele Menschen, ein Volksfest auf den Rheinwiesen kündigt sich an. Nach 25 Km fahre ich über die Rheinbrücke. Lange tuckert und stinkt ein Traktor mit leerem Anhänger für bestimmt 20 Mitfahrer neben mir her.
Durch Moers geht es über Neukirchen und Vluyn immer nach Westen. Komme durch Ort mit Straßenfest und Straßensperrung. Fahre Landstraße. Erste Pause nach 40 km und 3 Stunden an der Kirche von Schaephuysen. Esse meine Brötchen. Weiter geht´s über Aldekerk, Wachtendonk, Wankum und Herongen. Es läuft alles sehr gut. Habe meine ideale Trittfrequenz gefunden, komme schneller voran als gedacht, genieße die Bewegung und freue mich, wie leicht mir das Radeln fällt. Um 15:00 Uhr erreiche ich die Stadtgrenze von Venlo und bewundere die properen Villen am Stadtrand. Im Ort viele Radfahrer, aber kaum Schilder. Frage Mann auf Rad nach dem Weg ins Zentrum, nach Campingplatz und komme etwas ins Plaudern. Er empfiehlt mir einen Platz in Baarlo, ca. 10 km südlich von Venlo. Suche etwas nach der richtigen Ausfahrt aus der Stadt, erreiche die Maas und fahre am rechten / östlichen Ufer nach Süden. Merke zu spät, dass Baarlo auf der anderen Seite der Maas liegt. Habe von dieser Gegend noch keine Karten, weil ich mich auf die legendär guten Radwegebeschilderungen verlasse.
Auf meiner Seite sehe ich dann zum Glück ein Hinweisschild auf einen Campinplatz, das mich im rechten Winkel 2-3 km nach Osten vom Ufer weg führt. Frage unterwegs nach, weil keine Schilder mehr kommen. Lande gegen 16:30 auf dem Camping Natuur Plezier in Reuver, wo ich von der freundlichen Astrid nach kurzer Wartezeit empfangen werde. Für die Übernachtung zahle ich 7,90 Euro. Netter kleiner Platz mit einigen Dauercampern und Wohnmobiltouristen. Baue Zelt auf, leider in der Sonne. Drinnen ist es unerträglich warm. Die Dusche ist eine Riesenwonne. Nach dem Umziehen gehe ich im Ausflugslokal nebenan zwei große Alster trinken und esse ein Lachsbaguette. Gut besucht. Viele Wochenendtouristen, etliche davon mit Rädern. Sehe mehrere Elektro-Fahrräder. Viele Stammgäste. Man kennt sich. Die Grenze ist in Sichtweite. Niederländisch, Deutsch und Platt gehen mühelos durcheinander.
Mit dem letzten Tageslicht krieche ich in mein Zelt und mache ich mich für die Nacht zurecht. Eine meiner Motivationen für die Tour bestand darin, nach 21 Jahren mal wieder im Zelt zu leben. Anders als Regine verbinde ich damit positive Erinnerungen. In meiner ersten Nacht frage ich mich bereits, woher die stammen. Das Leben auf allen Vieren kommt mir recht mühsam vor. Obwohl ich ein 2-3 Personen-Zelt gekauft habe, Salewa Denali III, das mir beim Probeaufbau zu Hause noch reichlich überdimensioniert vorkam, finde ich es in meinem Kunststoff-Iglu eher eng. Vier Packtaschen, eine Lenkertasche und ein Haufen Kleinkram wollen neben einer Iso-Matte und Schlafsack untergebracht sein. Zu zweit würde ich in diesem Zelt nur im äußersten Notfall übernachten wollen. Nachts rutsche ich ständig von meiner 50 cm breiten Thermarest-Matte. Im Schlafsack komme ich mir vor wie eine ägyptische Mumie, kann mich kaum bewegen oder auf die Seite drehen.
Am Vormittag war das Fahren am schönsten. Alles noch ruhig und mild. Gute Luft. Mittags kommen mit der Hitze (ca. 25 Grad) der Wind und der Staub. Ich genieße, wie sich am Niederrhein die Landschaft weitet und höre den ersten Kuckuck rufen. Sein Ruf begleitet mich bis weit nach Frankreich hinein. Alles satt grün. Leider auch viel Ausflugsverkehr auf der Straße.
Die Strecke war sehr flach. Minimale Steigungen in MH. Statt der geplanten 50 km bin ich am Ende mit einigen Umwegen 90,5 km gefahren. Unterwegs wäre aber auch nicht viel gewesen, wo ich hätte übernachten wollen oder können.
Ich lerne, dass das berühmte Knotenpunktsystem der Radwege an der Maas mir ohne Karte wenig hilft. Zwar gibt es ab und zu Übersichtstafeln und man kann sich dort die nächsten Punkte merken oder notieren, die man ansteuern möchte (z.B. 17-18-33-34-51). Mir wäre für die Orientierung wesentlich lieber, wenn auf den Markierungen nicht nur Nummern, sondern auch Ortsnamen stünden. Die Radwege bedienen vor allem regionale touristische Interessen und sind nicht unbedingt für Tourenradler angelegt.