Mein Foto der Woche – Fahrradakrobat auf der nächtlichen Promenade Le Remblai in Les Sables d´Olonne im Juli

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Als Vorgeschmack auf einen längeren Bericht über zwei großartige Urlaubswochen in Les Sables d´Olonne im Juli habe ich diesmal vier Aufnahmen zu einer Diashow zusammengestellt. Sie zeigen einen Akrobaten mit einer heißen Show vor großem Publikum auf dem nächtlichen Remblai.

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Tour de France 2017 – Grand Départ in Düsseldorf

La Tour de France © Michael Kneffel

La Tour de France © Michael Kneffel

Am kommenden Samstag geht´s wieder los, nicht gleich am Mont Ventoux wie auf meinem Foto, sondern in Düsseldorf. Le Grand Départ der Tour de France 2017. Nicht dass ich diese Radsportveranstaltung sportlich noch ernst nehmen würde. Wie die meisten anderen Zuschauer denke ich mir meinen Teil, wenn nach fast 200 Kilometern Fahrstrecke hoch in den Alpen oder Pyrenäen plötzlich der Kapitän des teuersten Teams antritt, alle anderen Fahrer wie Amateure aussehen lässt und den letzten, mörderischen Anstieg schneller hinauf fährt, als ich ihn jemals hinunter fahren könnte.

Trotzdem liebe ich die Tour de France, weil die Fernsehübertragungen der einzelnen Etappen Jahr für Jahr schöne Einblicke in die verschiedensten Regionen des Landes bieten. Noch schöner, als vor den Fernseher zu sitzen, ist es allerdings, irgendwo auf dem Lande selbst als Zuschauer dabei zu sein. Die Tour de France ist das größte Volksfest des Landes. Hier feiern die Franzosen den Sommer, ihre Esskultur, sich selbst und natürlich auch den Radsport. Auch wenn das Hauptfeld erst am Nachmittag vorbei kommen wird, pilgern die Einwohner der Dörfer im Umkreis schon am Morgen zur Strecke. Stühle, Tische und Sonnenschirme werden aufgestellt, Decken ausgebreitet, die Kühltaschen mit dem Essen und den Getränken irgendwo im Schatten verstaut. Stunden vor den Radfahrern zieht eine scheinbar endlose Karawane von kleinen und großen LKW unter lautem musikalischen Getöse über die Strecke und ihre Insassen bewerfen die Menschen am Straßenrand mit allen erdenkbaren Werbegeschenken, mit Gemüsekonserven, Nudelsieben, Sonnenhüten, Blumen, Süßigkeiten… Pünktlich um 12 Uhr beginnt das große Picknick, und wenn das Hauptfeld der Fahrer dann schließlich am Nachmittag innerhalb weniger Sekunden vorbeirauscht, haben die Ordnungskräfte alle Hände voll zu tun, diejenigen von der Strecke zu halten, die unter der Mittagssonne das eine oder andere Gläschen Wein zuviel getrunken haben.

Tour de France und Karnevalsumzüge im Rheinland haben also mehr Gemeinsamkeiten, als man im ersten Augenblick so denkt. Von daher ist Düsseldorf vielleicht gar kein schlechter Ort für den diesjährigen Auftakt. Ich werde ihn auf einem Schiff am Rheinufer miterleben und bin sehr gespannt auf das Zusammentreffen von französischer und Düsseldorfer Feierkultur.

Mit dem Brompton an der Mosel – ein Fahrradtest und Reisebericht

auf der Moselbrücke in Bernkastel-Kues © Michael Kneffel
auf der Moselbrücke in Bernkastel-Kues © Michael Kneffel

Mein erstes Brompton-Faltrad habe ich vor 10 Jahren gekauft, ein rotes, ohne Licht, ohne Schutzbleche und ohne Gepäckträger, nur mit einer 3-Gang-Schaltung.  Gesucht hatte ich eine Möglichkeit, bei Fotoprojekten auf weiten Arealen auch mit einer großen Fotoausrüstung schnell und komfortabel von A nach B, C, und E zu kommen, und bei Bedarf, z.B. wenn das Licht gewechselt hat, auch schnell wieder zurück. Das Bromton schien mir dafür das ideale Fortbewegungs- und Transportmittel zu sein. Leicht und sehr klein zusammenfaltbar konnte ich es problemlos im Autokofferaum oder im Zug mitnehmen. Vor Ort war es in Sekundenschnelle fahrbereit und ein echter Packesel für meine Ausrüstung. Profitiert habe ich dabei von einem ausgefeilten Gepäcksystem bestehend aus einem Trägerblock, der dauerhaft vorne am Rahmen befestigt wird, und einem enormen Angebot an Taschen aller Art. Am liebsten war mir die sogenannte Einkaufstasche, oben offen und mit über 20 Litern Volumen sehr geräumig. Selbst meine großen Crumpler-Fototaschen fanden darin Platz, und bei Bedarf konnte ich oben drauf auch noch ein Stativ quer legen und mit zwei Klettbändern befestigen. 10 Kilo Gepäck sind auf diese Weise vorne möglich und beeinträchtigen das Manövrieren nicht im geringsten, weil das Gewicht ja nicht am Lenker hängt. Auf diese Weise habe ich mir bei vielen Einsätzen platte Füße und schmerzende Schultern erspart.

mein Brompton von 2006, noch ohne Brooks-Sattel, aber schon mit Trägerblock vorn am Rahmen © Michael Kneffel

mein Brompton von 2006, noch ohne Brooks-Sattel, aber schon mit Trägerblock vorn am Rahmen © Michael Kneffel

... und hier zusammengefaltet © Michael Kneffel

… und hier zusammengefaltet © Michael Kneffel

Immer öfter hat mich das Brompton dann auch auf Reisen begleitet, wenn ich keine Lust hatte, den Dachgepäckträger auf dem Auto zu montieren und eines meiner großen und z. T. nicht gerade leichten Räder hochzuwuchten. Mein Hollandrad wiegt weit über 20 Kilo und selbst mein Treckingrad kommt noch auf über 15. Anfangs habe ich das Brompton noch unterschätzt, aber mir wurde nach und nach klar, dass es mit seiner 3-Gang-Schaltung locker mit meinem Hollandrad mithalten konnte. Ein nachgekaufter Brooks-Sattel brachte den nötigen Sitzkomfort. Und gut gefedert ist das kleine Rad durch einen Gummipuffer in der Rahmenkonstruktion allemal. Tagestouren von bis zu 40 Kilometern waren überhaupt kein Problem. Für lange Radtouren, auf denen ich Zelt, Schlafsack, Isomatte usw. mitnehmen wollte, habe ich dann aber doch lieber mein Trekkingrad benutzt. Bei meiner letzten großen Tour von Essen an die französische Atlantikküste habe ich allerdings auch gemerkt, dass das Leben in einem kleinen Zelt und auf allen Vieren nicht mehr mein Ding ist. Und auch das lange Warten morgens, bis das Zelt trocken ist, hat mich dazu gebracht, in Zukunft lieber nach netten Zimmern Ausschau zu halten.

Taugt das Brompton auch als Tourenrad?

Nach der inneren Verabschiedung von der schweren und voluminösen Campingausrüstung konnte ich mir schon bald vorstellen, eine mehrtägige Tour auch mit dem Brompton zu unternehmen, und vor einigen Wochen nahm die Idee Gestalt an, vier Tage lang die Mosel entlang zu fahren. Dafür fehlte mir an meinem Rad allerdings so einiges: eine größere Auswahl an Übersetzungen, Schutzbleche gegen Nässe auf der Straße, gutes Licht und nicht zuletzt ein Gepäckträger. Eine Probefahrt bei meinem Essener Händler mit einem neuen Brompton überzeugte mich schon nach wenigen Metern von der 6-Gang-Schaltung und außerdem von der höheren Lenkerposition des H-Modells, die ein aufrechteres Fahren und damit eine bessere Wahrnehmung der Umgebung erlaubt. Mit ein wenig Wehmut beschloss ich, meinem geliebten roten Brompton untreu zu werden und ein neues Rad zu bestellen, diesmal ein schwarzes. Mitgeordert habe ich gleich das sogenannte Rack Pack, die einzige Brompton-Tasche für den Gepäckträger. Deutlich länger habe ich darüber nachgedacht, welche Tasche ich vorne nutzen sollte. Brompton-Tourenfahrer legen sich dafür nach den einschlägigen Berichten im Internet ganz überwiegend die sogenannte T Bag  zu, das größte Modell im Angebot mit 28 Litern Fassungsvermögen und diversen Außentaschen und -netzen. Ich habe mich dann aber dazu entschlossen, die alte Einkaufstasche zu behalten. In ihr brachte ich schließlich einen Tagesrucksack unter, der meine Bekleidung für vier Tage enthielt sowie meine Wertsachen und diversen Kleinkram. Daneben war in der Einkaufstasche noch Platz für Werkzeug, ein Erste-Hilfe-Set, Sonnencreme, Sonnenbrille, etwas Proviant, zwei Halbliter-Wasserflaschen, die Fahrradhülle für den Transport des zusammengelegten Rades im Zug und natürlich die Karte von der Mosel-Region, die immer schnell greifbar sein sollte. Dazu kam ein Regenüberzug für die gepackte Tasche. Alles zusammen wog etwa 8 Kilo. In die hintere Tasche packte ich mein Waschzeug, ein Paar Sandalen, einen Reiseführer und meinen Helm während des Zugtransports. In die Satteltasche kamen zwei weitere Halbliter-Wasserflaschen – für die Tourentage waren hochsommerliche Temperaturen vorhergesagt –  und die Luftpumpe. Serienmäßig ist die Pumpe an einer Hinterradstrebe befestigt, aber dort hatte ich einen Ständer angebracht, der sich während der Tour als  äußerst praktisch erweisen sollte. Mit einer Tasche auf dem Gepäckträger lässt sich das Hinterrad nämlich nicht mehr zum Parken unter den Rahmen klappen, und auf offener Strecke findet sich nicht überall eine Mauer oder ein Baum zum Anlehnen des Rades.

mein komplett bekacktes Rad mit Ständer und Faltschloss auf dem Rahmen auf dem Bahnsteig in Bullay © Michael Kneffel

das komplett bepackte neue Rad mit Ständer und Faltschloss auf dem Rahmen © Michael Kneffel

Am letzten Dienstag war es dann so weit. Mit dem neuen Rad, dem Rucksack noch auf  dem Rücken und dem Rack Pack an seiner Stelle in der Einkaufstasche vorn fuhr ich gegen 8:30 Uhr zum Essener Hauptbahnhof, faltete das Rad auf dem Bahnsteig zusammen und machte es mit der Transporthülle zum kostenfreien Gepäckstück. Im vollen ICE nach Koblenz konnte ich das Rad mühelos zwischen zwei Sitzreihen schieben, die mit den Rückenlehnen zusammen stießen. Auch der Umstieg in Koblenz und die Weiterfahrt im Regionalexpress verliefen problemlos, obwohl sehr viele andere Radler mit ihren großen Rädern einstiegen. Ich konnte das Brompton aber auch hier zwischen zwei Sitzreihen verstauen und musste nicht um einen freien Transportplatz im Radabteil kämpfen. Allerdings spürte ich schnell, dass das neue Rad mit Schutzblechen, Lichtanlage, Gepäckträger, Ständer, einem soliden Faltschloss (Abus Bordo) auf dem Rahmen und einem kleinen Werkzeugsatz im Rahmen, dem sogenannten Tool Kit, spürbar schwerer ist als mein altes rotes Rad. Ca. 3,5 Kilo mehr, ungefähr 14 Kilo insgesamt, wollten nun bewegt werden. Dazu kamen etwa 10 Kilogramm Gepäck.

Tag 1 – Von Bullay bis Rißbach

Für den Beginn meiner Moseltour hatte ich mir Bullay in der Nähe von Zell an der Mittelmosel ausgesucht. Von früheren Wandertouren kenne ich den Abschnitt moselabwärts zwischen Zell und Cochem schon ganz gut und wollte mir diesmal den Flussabschnitt moselaufwärts in Richtung Trier etwas näher ansehen. Es ging mir nicht darum, möglichst weit in möglichst kurzer Zeit zu fahren, sondern die Landschaft zu genießen und mir die kleinen Weinbauorte entlang des Flusses anzusehen. Auf der rechten Moselseite fuhr ich gegen 12 Uhr los Richtung Zell. An etlichen Stellen des Radweges hatten Baumwurzeln das Pflaster hochgedrückt, was für eine etwas unruhige Fahrt sorgte. An meinem brandneuen und überall noch reichlich gefetteten Rad rutschte die Sattelstütze auf dieser Hoppelpiste mehrmals nach unten und ich mußte mein Brompton-Werkzeug aus dem vorderen Rahmenrohr holen, was bei einem vollbepackten Bromton eine etwas umständliche Übung ist. So clever ich die Unterbringung des Tool Kits im Rahmenrohr finde, in Erwartung weiterer Einstellarbeiten am neuen Rad packte ich das Werkzeug lieber griffbereit in die vordere Einkaufstasche. In Zell überquerte ich den Fluss auf der Fußgängerbrücke im Zentrum hinüber zum Ortsteil Kaimt.

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Blick auf Zell von der Fußgängerbrücke © Michael Kneffel

Lange habe ich mich diesmal nicht in Zell und Kaimt aufgehalten, weil ich schon in einigen Wochen zum Wandern wieder dorthin zurückkehren werde. Aber auch diesmal habe ich einige Minuten vor dem prächtigen Weingut Treis in Kaim angehalten, um dieses wunderschöne Fachwerkhaus zu bewundern.

Fassade des Haupthauses des Weinguts Treis in Zell-Kaimt © Michael Kneffel

Fassade des Haupthauses des Weinguts Treis in Zell-Kaimt © Michael Kneffel

Auf der linken Moselseite ging es nach einem kurzen aber knackigen Anstieg etwas oberhalb des Flusses durch die Weinberge weiter in Richtung Briedel. Auf meiner Tour sollte ich sehr viele Fahrer von E-Bikes sehen, von denen mich viele zügig überholten. So einen Anstieg wie den erwähnten nehmen selbst alte und offensichtlich wenig trainierte Fahrer der Elektromotorrädern völlig mühelos, aber auch ich kam im leichtesten Gang meiner Sechs-Gang-Schaltung gut hinauf. Mit meiner alten Drei-Gang-Schaltung hätte ich hier mit Sicherheit schon absteigen und schieben müssen. Auf der Höhe von Briedel nahm ich die Fähre, um zum Ort hinüberzusetzen – mit 1,50 Euro ein preiswertes Vergnügen.

auf der Fähre nach Briedel © Michael Kneffel

auf der Fähre nach Briedel © Michael Kneffel

Beim örtlichen Bäcker kaufte ich mir zwei Teilchen für eine kurze Rast und stieß in dem ruhigen Örtchen auf weitere herrliche Fachwerkbauten, die, wie die Hochwassermarken an den Wänden zeigen, schon mehr als einmal mit der Mosel Bekanntschaft gemacht haben.

prächtige Fachwerkhäuser in Briedel © Michael Kneffel

prächtige Fachwerkhäuser in Briedel © Michael Kneffel

Am netten Pünderich vorbei fuhr ich wieder auf der rechten Moselseite zusammen mit vielen anderen Radlern bis auf die Höhe von Reil und überquerte den Fluss auf der Straßenbrücke. Vor zwei Jahren war ich hier schon einmal mit dem Auto vorbei gekommen und erinnerte mich noch gut an ein sehr leckeres Essen und einen großartigen trockenen Riesling auf einer schön gelegenen Terrasse vor dem Gasthof Traube. Für ein Essen war es aber noch zu früh, und ich fuhr auf der linken Moselseite weiter in Richtung Traben-Trabach. Der Radweg verläuft neben der Bahnstrecke auf der Straße, was mein Vorwärtskommen beschleunigte, mir aber auch einigen Verkehrslärm eintrug, zum ersten Mal seit dem Start der Tour. Irgendwo vor Traben-Trarbach muss ich eine Abbiegung des Radweges verpasst haben und stieg mit der Landstraße auf eine beachtliche Höhe über der Mosel. Bei einer Temperatur von gut über dreißig Grad hätte ich mir diesen Anstieg gern erspart, zumal die letzten Meter durch Neubaugebiete nicht besonders reizvoll waren. Wie hoch ich geklettert war, merkte ich erst, als ich mich, schon weit im Ort, entschied, wieder an das Moselufer hinabzuschießen. Traben-Trarbach, das ich auf einer früheren Reise mit dem Auto schon einmal kennengelernt habe, zählt trotz des berühmten Jugendstilhotels Bellevue nicht zu meinen Lieblingsorten an der Mosel. Mein Ziel war der Campingplatz etwas jenseits des Ortskerns im Stadtteil Rißbach. Bei meiner Tourvorbereitung hatte ich gesehen, dass es dort die Möglichkeit gibt, in einem sogenannten Weinfass zu übernachten. Auf dem Campingplatz angekommen, fühlte ich mich wie in den Niederlanden. 80 Prozent der Camper dürften von dort stammen, und an der Rezeption wurde fließend Nederlands gesprochen. Zu meinem Glück war ein Fass in der ersten Reihe am Ufer frei, so dass ich von dort nicht nur auf Wohnmobile und Autos gucken mußte, sondern einen schönen Blick auf den Fluss hatte. Mit 49 Euro pro Nacht für eine Person fand ich die Übernachtung im Fass nicht gerade billig, zumal ich Matratze und Bettzeug selbst beziehen musste und auch kein Frühstück im Preis enthalten war, aber kurz vor 17 Uhr freute ich mich nach einer sehr heißen Etappe auf eine Dusche und die Möglichkeit, die Beine hochzulegen.

Brompton vor

Brompton vor „Weinfass“ auf dem Campingplatz in Rißbach © Michael Kneffel

im

im „Weinfass“ auf dem Campingplatz in Rißbach © Michael Kneffel

Das sogenannte Weinfass, das natürlich nie zur Lagerung von Wein gedient hat, besteht im wesentlichen aus einem Vorraum mit zwei Bänken, einem ausziehbaren Tisch, viel Stauraum und einem höher gelegenen Schlafabteil mit Fenster. Im Stauraum unter der Schlafebene scheint noch ein Kühlschrank zu stehen, und unter der Decke im Vorraum ist eine Heizung angebracht, die ich abends auch tatsächlich eingeschaltet habe. Nachts wurde es am Wasser nämlich erstaunlich kühl. Nach einer herrlichen Dusche im gepflegten Waschhaus des Platzes habe ich noch eine Stunde an dem großen Holztisch vor dem Fass gesessen, bevor ich mich auf Nahrungssuche im Ortsteil Trarbach auf der anderen Moselseite begab. Fündig wurde ich schließlich auf der Terrasse vor dem Restaurant Storcke-Stütz, wo ich sehr lecker gegessen und und zwei schöne trockene Rieslinge probiert habe. Auf der Rückfahrt zu meinem Fass freute ich mich über die gute Lichtanlage an meinem Rad. In der Nacht ist es an der Mosel nämlich stockdunkel, ganz anders als zu Hause in der Großstadt.

Am ersten Tag meiner Tour war ich mit allen Ortsbesichtigungen ca. 30 Kilometer gefahren. Das neue Brompton war gut gelaufen und hat mir auf dieser Etappe viel Freude bereitet.

Tag 2 – Von Rißbach nach Piesport

Nach einem guten Frühstück im Restaurant meines niederländischen Campingplatzes machte ich mich kurz nach 9 Uhr wieder auf den Weg und wechselte sofort auf der neuen Brücke hinter dem Campingplatz, die mir nachts mitunter das Gefühl verschafft hatte, dass Autos und Motorräder direkt durch mein Fass fahren, auf das andere Moselufer, wo es sofort sehr beschaulich und deutlich ruhiger wurde. Am schönen Ort Wolf vorbei ging die Fahrt mit Blick auf Kröv und seine Weinberge am anderen Ufer. Eine Flussbiegung später passierte ich die kleinen und sehr nett wirkenden Örtchen Kindel, Lösnich und Erden. Hinter Erden kamen schließlich die Brückenpfeiler der neuen Hochmoselbrücke vor Rachtig in Sicht. Die Mehrzahl der z. T. gigantischen Pfeiler ist bereits fertig gestellt, und auch ein Teil der Fahrbahn ragt bereits in das Moseltal hinein. Noch kann man nur ahnen, wie sehr dieses Bauwerk die Landschaft im Moseltal dominieren wird.

Bau der neuen Hochmoselbrücke bei Zeltingen-Rachting © Michael Kneffel

Bau der neuen Hochmoselbrücke bei Zeltingen-Rachtig © Michael Kneffel

Die unmittelbare Umgebung der Baustelle gehörte nicht zu den schönsten Abschnitten meiner Tour, war aber schnell passiert, und in Zeltingen-Rachtig wechselte ich wieder auf das linke Moselufer und steuerte nach einer kurzen Pause an der großen Schleusenanlage Bernkastel-Kues an, wahrscheinlich der touristische Hotspot der Mittelmosel. Gegen Mittag erreichte ich die hübsche Stadt, überquerte die Brücke und schob mein Rad durch die belebten Altstadtgassen. Vor den Cafés und Restaurants war jeder Stuhl besetzt, und schon bald machte ich mich wieder auf den Weg, in der Vorfreude auf etwas ruhigere und kleinere Orte.

Fachwerkhäuser am Marktplatz in Bernkastel-Kues © Michael Kneffel

Fachwerkhäuser am Marktplatz in Bernkastel-Kues © Michael Kneffel

am Marktplatz in Bernkastel-Kues © Michael Kneffel

am Marktplatz in Bernkastel-Kues © Michael Kneffel

Auf der rechten Moselseite bleibend radelte ich den Nachmittag über gemächlich flußaufwärts, wobei mir besonders Brauneberg und die Anblicke der Orte Kesten und Minheim auf dem anderen Ufer gefielen. Nach 16 Uhr erreichte ich schließlich Piesport. Hier sah ich mich nach einem erneut sehr heißen Tag nach einer Unterkunft um. An diesem Tag war ich ca. 45 Kilometer geradelt, und mein Brompton hatte seine Sache wieder gut gemacht. Die Sitzposition mit dem etwas höheren Lenker war ideal für diese Art der Radwanderung, bei der es mir darum ging, viel von meiner Umgebung zu sehen. Irritiert hat mich allerdings ein leichtes, helles Knacken an der linken Seite des Tretlagers, das sich bei jeder Pedalumdrehung wiederholte. Ich vermutete, dass irgendwo im Bereich des Tretlagers oder des Pedals etwas Fett fehlte. Meine Versuche, das Geräusch durch Schmierstoff aus einer kleinen Spraydose, die ich im Gepäck hatte, zu beseitigen, blieben erfolglos. Nach längeren Pausen war das Knacken zunächst verschwunden, aber nach jeweils etwa einer Stunde Fahrt trat es verlässlich wieder auf.

Übernachtet habe ich schließlich im Weinhaus St. Joseph, einem schönen, alten Moselschieferhaus der Familie Spang, die eine der vielen Bett-and-Bike-Stationen an der Mosel betreibt. Nach einer sehr wohltuenden Dusche und einer Erholungspause im kühlen Haus musste ich am Abend nur wenige Meter laufen, um in der edlen Straußwirtschaft und Vinothek des Weingut Franzen ein ausgezeichnetes Abendessen zu bekommen. Dabei saß ich zusammen mit vielen anderen Gästen in einem zur Mosel abfallenden Garten und blickte auf die Weinberge im Abendlicht.

Weinhaus St. Joseph, Bett and Bike in Piesport © Michael Kneffel

Weinhaus St. Joseph, „Bett and Bike“ in Piesport © Michael Kneffel

Tag 3 – Von Piesport nach Reil

Eigentlich hatte ich vor, an den folgenden beiden Tagen weiter bis nach Trier zu fahren, nicht zuletzt deshalb, weil es dort die erste Möglichkeit nach Traben-Trarbach gab, wieder in einen Zug Richtung Heimat zu steigen. Nach dem Studium der Karte beschlich mich aber das Gefühl, dass die Umgebung von Trier nicht mehr so reizvoll sein würde, wie der Moselabschnitt, den ich gerade kennen gelernt hatte. Ich beschloss deshalb, wieder zurück in Richtung Bullay oder sogar weiter bis Cochem zu radeln und dabei jeweils die Moselseite zu erkunden, die ich noch nicht kannte. Nach einem guten und reichlichen Frühstück, das ich zusammen mit zwei anderen Radlern genoss, von denen der eine weiter an die französische Atlantikküste wollte und die andere flussabwärts nach Koblenz, und nachdem ich 40 Euro für die Übernachtung mit Frühstück bezahlt hatte, brachte ich mein Gepäck in den Fahrradraum und stellte überrascht fest, dass meine beiden Reifen sich sehr weich anfühlten. Vor der Tour hatte ich sie auf 6 Bar aufgepumpt. Maximal 6,8 Bar oder 100 PSI wären möglich gewesen. Schon wenige Kilometer hinter Bullay hatte ich am ersten Tag aber wieder etwas Luft abgelassen, weil ich zu hart durchgerüttelt wurde. Am Morgen in Piesport war aber eindeutig zu wenig Luft in den Reifen. Ich pumpte mit der Handpumpe ordentlich Luft nach, ohne allerdings zu wissen, wie hoch der Druck nun tatsächlich war. Bei den brandneuen Schläuchen hätte ich mit einem so schnellen und starken Druckabfall nicht gerechnet. Kurz nach 9 Uhr saß ich dann wieder auf dem Rad und war fasziniert von einer wunderbar ruhigen, spiegelglatten Mosel. Die ersten Stunden am Morgen sind für mich auf Radtouren immer die schönsten.

die Mosel bei Piesport am Morgen © Michael Kneffel

die Mosel bei Piesport am Morgen © Michael Kneffel

Kurz vor Minheim wechselte ich auf die linke Flussseite und genoss von der Brücke die Aussicht auf die Moselschleife im leichten Morgendunst.

Blick auf die Moselschleife bei Minheim © Michael Kneffel

Blick auf die Moselschleife bei Minheim © Michael Kneffel

Noch waren kaum andere Radfahrer unterwegs. So leicht wie an diesem Morgen war mir das Fahren am Vortag nicht gefallen. Der höhere Reifendruck machte sich positiv bemerkbar, aber auch das leichte Gefälle des Moseltales. Schließlich ging es nun immer bergab. Vorbei an Kesten, wo andere Radfahrer noch im Garten des eindrucksvollen Gasthauses Himmerroder Hof beim Frühstück saßen, erreichte ich die Nachbildung einer alten römischen Kelteranlage kurz vor Lieser. Hier wurde schon im dritten Jahrhundert n. Chr. Wein produziert. Lieser mit seinem eindrucksvollen Schloss bereitete sich noch auf ein Wein- und Straßenfest vor, das am Mittag beginnen sollte. Einige Straßen waren gesperrt und überall wurden Stände, Tische und Bänke aufgebaut.

Schloss Lieser © Michael Kneffel

Schloss Lieser © Michael Kneffel

Kurz vor 12 Uhr erreichte ich zum zweiten Mal auf meiner Tour Bernkastel-Kues. Diesmal nahm ich mir mehr Zeit für den Ort und gönnte mir zunächst ein großes Stück Pflaumenkuchen mit Sahne und einen Milchkaffee vor dem alten Café Hansen am Markt, neben mir muntere Rentner aus Skandinavien, die wie Stammgäste behandelt wurden. Nachdem ich mir das Treiben auf dem Platz angesehen hatte, schob ich mein Rad noch eine Weile durch die malerischen Gassen. Von den größeren Orten an der Mosel ist Bernkastel-Kues eindeutig mein Favorit.

Graach mit dem Mattheiser Hof © Michael Kneffel

Graach mit dem Mattheiser Hof (rechts) © Michael Kneffel

Vorbei am schönen Graach mit seinem Mattheiser Hof fuhr ich auf dem rechten Moselufer weiter bis Zeltingen-Rachtig. Hier überquerte ich den Fluss, um mir das Kloster Machern mit seiner Brauerei und verschiedenen anderen Einkehrmöglichkeiten anzusehen. Danach blieb ich auf der linken Moselseite und passierte zügig Ürzig, Kinheim und Kröv. Von der anderen Flussseite aus haben mir diese Orte besser gefallen als aus der Nähe, und auch das Fahren auf oder direkt neben der Straße fand ich nicht besonders angenehm. In Traben-Trarbach wechselte ich wieder die Seite und fuhr durch bis Reil, meinem Übernachtungsort am dritten Tag. Dorthin gelockt hat mich vor allem die Aussicht auf einen schönen Tagesausklang mit einem leckeren Abendessen und einem guten Wein auf der Terrasse des Gasthofs Zur Traube. Ich wurde nicht enttäuscht. Der Zander war großartig und die trockenen Weine (Riesling und Dornfelder) gehören zu meinen Lieblingen an der Mosel. Am Ende übernachtete ich sogar in diesem Gasthof, obwohl ich im benachbarten Reiler Hof nach einem Zimmer gefragt  hatte. Des Rätsels Lösung: Der Reiler Hof, dessen Zimmer und Küche in einer höheren Preisklasse angesiedelt sind, bewirtschaftet den Gasthof nebenan als Gästehaus. Für mein schlichtes Einzelzimmer in der Traube und ein üppiges Frühstück im Reiler Hof am nächsten Morgen zahlte ich 50 Euro.

Tag 4 – Von Reil nach Bullay

Nach drei sehr schönen, aber auch richtig heißen Tagen an der Mosel hatte ich mir für den vierten nur noch eine kurze Etappe vorgenommen. Am Vortag war ich gute 50 Kilometer geradelt. Von Reil bis Bullay, wo ich wieder in den Zug steigen wollte, sind es gerade mal 25 Kilometer. Kurz nach 9 Uhr verließ ich Reil auf dem linken Ufer und sah in der ersten Stunde nur sehr wenige Menschen. Links hatte ich bald den Viadukt der Kanonenbahn über mir, später die Marienburg. Die Fähren von Pünderich und Briedel am anderen Ufer waren schon in Betrieb, hatten aber jeweils nur einen Fahrgast. In Kaimt blieb ich auf der linken Flussseite und bereute diese Entscheidung schon bald. Am Ortsrand verließ der Radweg bald das Ufer, stieg allmählich an und wurde zum steinigen Feldweg. Auf einem  Mountainbike hätte mir das nichts ausgemacht, mein Brompton mit den kleinen Rädern ist für solche Wege aber nicht gemacht, auch wenn es sich mit seiner Federung  noch ganz gut geschlagen hat.

Blick auf Merl vom steinigen Feldweg © Michael Kneffel

Blick auf Merl vom steinigen Feldweg © Michael Kneffel

Der Feldweg mündete schließlich in die Bundesstraße 53, die ich auch nicht in die Liste meiner Lieblingsradwege aufnehmen werde, die mich aber schnell nach Bullay brachte. Ich wußte, dass die Züge in Richtung Koblenz jeweils zehn Minuten nach der vollen Stunde abfuhren. Als ich den Bahnhof ziemlich genau zehn Minuten nach 11 Uhr erreichte, hatte ich mich schon damit abgefunden, fast eine Stunde warten zu müssen. Von der Fahrkartenverkäuferin erfuhr ich dann aber, dass der Zug noch gar nicht eingefahren sei und ich ihn noch erwischen würde, wenn ich mich beeilte. Tatsächlich schob ich mein Rad genau in dem Moment in einen Waggon, als das Signal zur Abfahrt ertönte. Unter den interessierten Augen des Zugbegleiters verwandelte ich mein Bromton wieder in ein handliches Gepäckstück und suchte mir einen Sitzplatz. Trotz der Verspätung erreichte ich meinen Anschlusszug in Koblenz und war keine zwei Stunden später wieder zu Hause in Essen.

Tourentest bestanden

Von den beiden geschilderten technischen Problemen (Knacken und Luftverlust) abgesehen, die meine heimische Werkstatt in den folgenden Tagen schnell behob, hatte sich mein neues Brompton als Tourenrad voll und ganz bewährt. Schon bei meinem alten Brompton habe ich immer den erstaunlichen Fahrkomfort geschätzt, der sich aus dem langen Radstand, dem Gummipuffer zwischen Rahmen und Hinterbau sowie einem guten Brooks-Sattel ergibt. Beim neuen Rad kommt jetzt noch der höhere Lenker und die aufrechtere Sitzposition hinzu. Als völlig unproblematisch erwies sich auch der Gepäcktransport. In meinen Taschen war noch genug freier Platz für eine doppelt oder dreifach so lange Tour, auch wenn die in einer kühleren oder feuchteren Jahreszeit stattfinden sollte. Mit den Übersetzungen der Sechs-Gang-Schaltung würde ich nicht unbedingt eine Alpenüberquerung in Angriff nehmen, aber auch für hügeligere Strecken, als ich an der Mosel gefahren bin, wird sie mir ausreichen. Leichtester und schwerster Gang liegen in etwa so weit auseinander wie bei meinem Trekkingrad. Gewöhnungsbedürftigt finde ich die Art des Schaltens. Mit dem rechten Schalter werden die drei ziemlich weit auseinander liegenden Gänge der Nabenschaltung ausgewählt. Der linke Schalter, der zwei Ritzel vor der Drei-Gang-Nabe bedient, gibt die Möglichkeit, für jeden der drei Gänge eine leichtere und eine schwerere Variante zu wählen. Wer wie ich gerne mit feinen Abstufungen unterwegs ist, muss häufig beide Schalter bedienen und viel hin und her schalten.

Unterwegs hatte ich manchmal – vor allem wenn ich überholt wurde –  den Verdacht, dass ein Rad mit großen Rädern möglicherweise schneller fahren würde. Aber erstens geht es mir bei solchen Touren wie an der Mosel gar nicht um eine hohe Geschwindigkeit und das Zurücklegen sehr langer Strecken, und zweitens glaube ich, dass bei hochwertigen Rädern mit guten Komponenten, zu denen das Brompton gehört, letztendlich nur die Fitness und der Trainingszustand des Fahrers den Unterschied machen. Ich gebe zu, dass es bei mir in dieser Hinsicht noch Steigerungsmöglichkeiten gibt. Der größte Nachteil der kleinen Räder dürfte in einem höheren Verschleiß bestehen. Kleine Räder müssen sich nun mal öfter und schneller drehen als große. An dem Brompton, das ich seit zehn Jahren fahre, habe ich allerdings bisher noch kein einziges Teil erneuerrn müssen.

(Gelegentlich veröffentlicht WordPress unter meinen Beiträgen Werbung, meist ziemlich seltsame. Ich habe darauf keinen Einfluss.)

Mein Foto der Woche – der Felsenbogen von Port Blanc auf Quiberon

Felsbogen von Port Blanc © Michael Kneffel

Felsenbogen von Port Blanc  © Michael Kneffel

Diesen Sommerurlaub haben wir auf der Halbinsel Quiberon in der Bretagne verbracht. Das Foto der Woche zeigt den Felsbogen von Port Blanc (Porz Guen) an der Côte Sauvage, eine der vielen Sehenswürdigkeiten dieser großartigen Urlaubsregion. In Kürze folgt ein ausführlicher Bericht mit vielen Fotos.

Mit dem Rad von Essen nach Südfrankreich – Tag 17

17. Tag, Dienstag, 24.05.2011, Biganos – Essen, 5:30 – 20:30 Uhr

Um 5:30 Uhr schiebe ich mein Rad zum Bahnhof. Alles, was ich nicht mehr brauche, wie Sonnencreme, Insektenspray usw., lasse ich im Hotel, um Gewicht zu sparen. Zu meiner Überraschung herrscht auf dem Bahnsteig Hochbetrieb. Neben vielen Pendlern wartet schon eine ganze Schulklasse, begleitet von den Eltern, auf den Regionalzug nach Bordeaux. Ohne Mühe bekomme ich das Rad in den Wagen, der durch ein winziges Fahrradsymbol neben der Tür gekennzeichnet ist.

In Bordeaux habe ich 16 Minuten für den Umstieg. Wie es scheint, sind alle anderen Bahnsteige leicht über eine lange Rampe zu erreichen, nur nicht der Bahnsteig 1, auf dem mein TGV abfahren wird. Ich habe die Wahl zwischen einer steilen Treppe und einer ebenso steilen Rolltreppe, entscheide mich für die Rolltreppe, kann nach wenigen Metern das Rad nicht mehr halten, falle rückwärts die Treppe hinunter, bin sofort wieder auf den Beinen, fühle mich eine Weile wie ein Hamster im Laufrad, komme nicht von der Stelle, da mein Rad immer wieder die Stufen hinunter rollt, bis eine junge Frau von hinten meine Rad festhält und ich mich endlich samt Rad aufwärts bewege. Zum Glück ist hinter mir niemand zu Schaden gekommen. Ich bin etwas zerkratzt und habe ein Loch im Hosenbein, als ich auf dem Bahnsteig ankomme. Das Radabteil ist wieder im Wagen 11 hinter dem Triebwagen untergebracht. Mit letzter Kraft und schließlich sogar auf den Knien wuchte ich das Rad die Stufen hoch in den Wagen. Im Eingangsbereich steht ein kräftiger Mann Mitte 30, der mir freundlich lächelnd zusieht, aber keine Hand rührt. „Was für ein Riesenarschloch“, sage ich laut und vernehmlich, als ich auch noch die beiden Stufen in´s Abteil geschafft habe und mein Rad befestige. Die gut dreistündige Fahrt nach Paris zum Bahnhof Montparnasse verläuft ruhig. Mir ist kalt, die Gedärme halten still, ich traue mich nicht, irgendetwas zu essen oder zu trinken. Mitunter fahren wir durch Gebiete, durch die ich Tage zuvor geradelt bin. Beim Aussteigen sehe ich den Mann wieder, der mir nicht geholfen hat, diesmal mit einem Blindenhund.

Für die Fahrt zur Gare de l´Est, wo mein nächster Zug um 11:24 abfahren wird, habe ich zum Glück fast zwei Stunden. Außerhalb des Bahnhofs empfangen mich ein lausiger Wind und ein gewaltiges Verkehrschaos. Paris ersäuft im Autoverkehr. Immer wieder muss ich meine eigentliche Richtung aufgeben und Haken schlagen, weil nichts mehr voran geht und ich selbst mit dem Rad nicht durch komme. Meine Beine sind wie Pudding, für den Weg durch die Stadt brauche ich fast eine Stunde und bin froh, als ich endlich frierend und klapprig den Bahnhof erreiche.

In den TGV nach Karlsruhe komme ich mit der Hilfe eines Mitreisenden problemlos. Der Zug ist nahezu ausgebucht, und ein Mann, der, wie ich später feststelle, bei der französischen Bahngesellschaft beschäftigt ist, macht mich an, weil ich mit meinem Rad nach seiner Meinung zu viel Platz beanspruche. Der Zugbegleiter hat dagegen nichts zu beanstanden, daraufhin lässt der achtsame Bahnmitarbeiter von mir ab und konzentriert sich mit seinem Kollegen in den folgenden zweieinhalb Stunden ganz darauf, Sitze und Fußboden mit Essensresten und Verpackungsmüll voll zu sauen. In Straßburg leert sich der TGV fast völlig aus.

Auf dem Bahnhof in Karlsruhe, wo es einen geräumigen Aufzug auf jedem Bahnsteig gibt, habe ich viel Zeit für den Umstieg in den Euro-City, der mich nach Essen bringen wird. Es ist so warm wie in Arcachon, und unter dem Glasdach veranstalten tatsächlich einige Grillen ihr lautes Konzert. In den Minuten vor Abfahrt meines Zuges füllt sich der Bahnsteig enorm. Es tauchen weitere Radtouristen mit vollbepackten Rädern auf, und mir wird etwas mulmig, weil ich nicht weiß, wie viel Platz für Fahrräder der Zug bietet. Es passen aber alle problemlos in den dafür gedachten Wagen, der nur zu zwei Dritteln wie ein Großraumwagen bestuhlt ist und im restlichen Drittel Befestigungsmöglichkeiten für Räder und Rollstühle bietet. Da ich nicht mehr umsteigen muss, traue ich mich, eine Salzbrezel zu essen und eine Fanta zu trinken. Alles bleibt drin, und ich kann die Fahrt durch das Rheintal genießen.

Pünktlich um 19:57 Uhr komme ich in Essen an. Regine erwartet mich und hilft mir beim Aussteigen. Zu Hause angekommen friere ich wieder, lege mich kurz in die heiße Badewanne, falle danach in´s Bett und schlafe, unterbrochen durch ein gemeinsames Frühstück, bis zum nächsten Mittag durch. Zwei Tage lang, in denen ich mehr Gewicht verliere als auf der gesamten Radtour, hat mich noch der Darmvirus im Griff. Ich bin heilfroh, dass ich diese Tage nicht in meinem Zelt in Biganos verbringen muss.

Mit dem Rad von Essen nach Südfrankreich – Tag 16

16. Tag, Montag, 23.05.2011, Biganos – Arcachon – Biganos, 65 km,  9:30 -18:30 Uhr

Als ich aufwache, ist mir schlecht, und ich würde mich am liebsten übergeben. Die Käsepizza vom Vorabend ist mir anscheinend überhaupt nicht bekommen und hängt mir noch in der Speisröhre. Ich beschließe, es heute ruhig angehen zu lassen und ohne Gepäck nach Arcachon zu fahren, um mir die Stadt anzusehen. Während ich mich gestern noch auf Austern und Meeresfrüchte gefreut habe, kann ich heute nicht einmal an Essen denken, ohne dass mir übel wird.

Endlich am Atlantik (c) Michael Kneffel

Mit  einigen Abstechern durch die kleinen Austernhäfen am Wege folge ich der D 650 nach Westen. Es ist sehr warm und soll in den nächsten Tagen hochsommerlich heiß werden. Arcachon gefällt mir, und ich kann mir gut vorstellen, hier einmal Urlaub zu machen. Im Westen der Stadt, noch geschützt durch die vorgelagerte Landzunge mit dem Cap Ferret, liegt ein langer Sandstrand, der auf baumbestandenen, sehr gepflegten Rad- und Fußwegen zu erreichen ist. Wem die pralle Sonne auf dem Sand zu viel wird, kann sich hier auf einem kilometerlangen Wiesenstreifen unter große alte Bäume zurückziehen. In der Stadt sehe ich viele alte Villen aus der Zeit des Jugendstils. Es gibt viel zu entdecken in Arcachon, und ich finde es schade, dass Regine nicht bei mir ist.

schattige Plätze in Strandnähe (c) Michael Kneffel

Bei aller Begeisterung für die Stadt bleibt mir den ganzen Vormittag präsent, dass ich mich in einer schlechten Verfassung befinde. Ich beschließe, am Bahnhof nachzufragen, ob es am nächsten Tag eine Rückfahrmöglichkeit nach Essen gibt. Im Bahnhof ist mittags nichts los, und ich habe das Glück auf eine freundliche und kompetente Schalterbeamtin zu treffen, die 45 Minuten lang alle erdenklichen Verbindungen daraufhin überprüft, ob in den betreffenden Zügen eine Fahrradmitnahme möglich ist. Dabei wird sie zwischenzeitlich von vier Kolleginnen und Kollegen unterstützt. Schließlich bietet sie mir eine Verbindung mit nur drei Umstiegen in Bordeaux, Paris und Karlsruhe an. Das ist besser als alles, was ich vor meinem Tourbeginn im Internet und per Telefon in Erfahrung bringen konnte – damals allerdings für die Strecke Montpellier – Essen. Ich überlege nicht lange und zahle für die Fahrkarte mit allen nötigen Reservierungen 286,90 Euro. Ein Wermutstropfen bei der Sache ist, dass ich am nächsten Morgen um 5:43 Uhr in Biganos starten muss. Ankunft in Essen ist um 19:57 Uhr.

Durch eine beachtliche Hitze, immer noch mit Pflastersteinen im Bauch und Würgreiz in der Kehle fahre ich zum Campingplatz zurück. Unterwegs trinke ich gegen den Durst einen Liter Trinkjoghurt mit Himbeeren aus einer Lidl-Kühltheke. Das hätte ich nicht tun sollen, weil es mir von da an heftig in den Gedärmen rumort und neben dem Käsepizzageschmack jetzt auch noch ständig das Himbeeraroma hoch kommt. Zurück auf dem Campingplatz baue ich im Schneckentempo mein Zelt ab, bepacke mein Rad und ziehe um in das Hotel „Terminus“ unmittelbar neben den Bahnhof. Als ich mein Gepäck endlich auf dem Zimmer habe, bin ich fix und fertig und lege mich frierend und mit den Zähnen klappernd ins Bett. Ich schlafe sehr schlecht, werde alle 30 Minuten wach und entleere mich mehrmals.

Mit dem Rad von Essen nach Südfrankreich – Tag 15

15. Tag, Sonntag, 22.05.2011, Chatelleraut – Poitiers, Bordeaux – Biganos, 78 km, 8:30 -18:30 Uhr

Die Nacht blieb trocken. Ich stehe um 6:30 Uhr auf, muss warten, bis das Sanitärgebäude aufgeschlossen wird, und starte um 8:30 Uhr. Meine bärtigen Nachbarn in den langen Gewändern beenden in der hintersten Ecke des Platzes gerade ihre Morgengebete. Es ist kühl, der Wind bläst kräftig von vorn, und ich komme kaum voran. In Cenonne-sur-Vienne überquere ich den Fluss und fahre auf dem Westufer des Clain auf Poitiers zu. Die Reifen scheinen an der Straße zu kleben. Jeder Hügel wird zur Qual. Selbst bergab habe ich das Gefühl, kräftig treten zu müssen, um nicht stehen zu bleiben. In meinen Reifen ist viel zu wenig Luft, aber mit meiner Handpumpe bekomme ich nicht mehr hinein. Von den erfolglosen Versuchen schmerzt jetzt auch noch meine linke Schulter. Nach zwei Stunden Fahrt bin ich völlig platt und demoralisiert. Kurz vor Poitiers schließen drei niederländische Radpilger im Rennfahreroutfit auf, die auf dem Weg nach Santiago bzw. Lourdes sind. Wir plaudern kurz miteinander, ich beschreibe mein Reifenproblem, sie halten sofort an, und pumpen mir die Reifen mit ihren Hochleistungspumpen auf. Danach läuft das Rad deutlich besser, trotzdem überholen mich bald ziemlich flott zwei der Radpilger vom letzten Campingplatz. Mir schwant, dass ich am Ende meine Kräfte bin. Zu wenig und zu unregelmäßig gegessen. Keine richtigen Regenerationspausen. Schließlich noch die viel zu weichen Reifen. Von Poitiers bis zur Atlantikküste, meinem nächsten Ziel, würde ich drei Tage lang durch hügeliges Gelände fahren müssen. In meinem jetzigen Zustand schaffe ich das nicht. Ich habe aber auch keine Lust, in dieser Gegend und womöglich auf ähnlichen Campingplätzen wie in Chatelleraut mehrere Tage zu pausieren, um meine Akkus wieder aufzuladen.

Als ich mittags die Stadt erreiche, steuere ich sofort den Bahnhof an und löse ein Ticket samt Reservierungen für mich und mein Rad im TGV nach Bordeaux, Abfahrt 12:48 Uhr, Ankunft 14:39 Uhr. Zwei Fahrstühle, in die ich mit knapper Not das Rad bekomme, bringen mich auf meinen Bahnsteig. Treppen hätte ich mit dem schweren Rad nicht steigen wollen und auch nicht können. Das Fahrradabteil befindet sich in Wagen 11 direkt hinter dem Triebwagen. Zwei Stufen bis in den Wagen, dann noch einmal zwei Stufen bis ins Abteil. Für das Rad müssen 4 Sitze unter einem Fenster hochgeklappt werden. Maximal zwei unbeladene Räder dürfen dort abgestellt werden. Ein Rennrad steht schon dort. Sein Besitzer hilft mir, meinen Lastesel mit Gurten zu befestigen. Ich lasse das Gepäck am Rad, ohne dass es irgendjemanden stört. Meine erste Fahrt in einem TGV hatte ich mir schneller vorgestellt. Der Zug braucht fast 2 Stunden für gute 200 km.

In Bordeaux kann ich den Bahnsteig komfortabel über eine lange Rampe verlassen. Aus der Bahnhofshalle im Untergeschoss gelange ich über die Tiefgarage ins Freie.  Ich suche auf dem Vorplatz einen Stadtplan, finde nichts, auch nicht das Touristenbüro, das hier irgendwo sein soll und von dem ich mir Übersichtskarten mit den Radwegen der Region erhofft hatte. Also orientiere ich mich an der Sonne und setze mich Richtung Westen in Bewegung. Mein Ziel ist das Becken von Arcachon am Atlantik, ungefähr 40 Km entfernt. Bordeaux ist keine Kleinstadt. Bis zur Stadtgrenze durchquere ich große und wenig attraktive Vororte. In einem mache ich Pause und esse ein Sandwich. Ab hier muss ich auf der N 250 nur noch immer geradeaus fahren. Normalerweise meide ich diese großen Nationalstraßen, aber hier gibt es weit und breit keine Alternative. Auf dem glatten Asphalt und mit der Unterstützung von Traubenzucker komme ich gut voran. Kurz nach 18:00 Uhr erreiche ich Biganos und finde einen kleinen Campingplatz am Rand des Ortes, an der Straße nach Audenge. Der Platz macht einen guten Eindruck, befindet sich aber noch im Vorsaisonschlaf. Nur die ausgehungerten Riesenmücken sind hellwach und stürzen sich auf mich. Eine einzige Toilette ist geöffnet, auch die meisten Duschen und Waschkabinen sind noch verschlossen. Ich baue in der Nähe von einem älteren niederländischen Paar auf, das den Santiago-Pilgerweg in umgekehrter Richtung befährt. Als das Zelt steht und ich geduscht bin, gehe ich in die zum Platz gehörende Bar, wo ich der einzige Gast bin. Mein Hunger hält sich in Grenzen, aber um den Abend zu füllen, esse ich eine dick mit vier Käsesorten belegte Pizza und trinke dazu zwei Bier. Ich bin glücklich, wieder im Flachland zu sein, am nächsten Tag den Atlantik zu sehen, weiß aber noch nicht, wie es dann weitergehen soll. Nach meiner ursprünglichen Planung wollte ich weiter nördlich auf die Küste treffen und sie südlich von Arcachon wieder verlassen, um dann durch das schöne Waldgebiet der „Landes“ Richtung Canal du Midi zu fahren. Auf diesen Abschnitt der Tour hatte ich mich besonders gefreut. Aber heute habe ich gemerkt, dass ich mit meinen Kräften am Ende bin und dringend eine Pause benötige.

Mit dem Rad von Essen nach Südfrankreich – Tag 14

14. Tag, Samstag, 21.05.2011, Chinon – Chatelleraut, 72 km, 8:30 – 17:00 Uhr

Um 4:00 Uhr werde ich wach. Einige Leute unterhalten sich lange laut und aufgeräumt in meiner Nähe. Es klingt, als sei der Platz-Manager dabei. Nach zwei Wochen Radtour weiß ich, dass jemand, der mal in Ruhe durchschlafen möchte, nicht im Zelt auf einem Campingplatz übernachten sollte. Um 6:30 Uhr stehe ich auf, zwei Stunden später fahre ich los, kaufe im Ort zwei Karten für die Gegend um Poitiers, versorge mich beim Bäcker und quäle mich die üble Steigung in die Oberstadt hinauf. Dort frühstücke ich und mache mich dann auf die Suche nach dem Fahrradladen, den ich schließlich am Rande des Gewerbegebietes finde. Innerhalb einer Stunde bekomme ich zwei neue Mäntel aufgezogen, diesmal von Continental, deutlich breiter als die bisherigen und mit mehr Profil, aber ich bin froh, in diesem kleinen Ort überhaupt eine gute Werkstatt und passende Ersatzteile gefunden zu haben. Der Mechaniker ist der Meinung, dass zu hoher Druck dem alten Reifen zum Verhängnis geworden ist. In die neuen gibt er mir nur 3 bar Druck und meint, das sei ausreichend. Für die Reparatur zahle ich 50 Euro.

Wieder unten in der Stadt angekommen, sehe ich dass es einen kostenlosen Aufzug für Fußgänger und Radfahrer in die Oberstadt gibt. Ich verlasse die Stadt auf dem Nordufer der Vienne, finde das Fahren reichlich mühsam und schiebe das auf den heftigen Wind, die hohen Temperaturen und den höheren Rollwiderstand der neuen Reifen. In L´Ile Bouchard esse ich früh und miserabel zu Mittag. Das Restaurant sah einladend aus, aber was auf den Teller kommt, stammt wahrscheinlich aus der Kühltheke des billigsten Supermarkts der Gegend. Fürchterlich. Auf der anderen Seite des Flusses geht es weiter bis Dangé-St-Romain. Die Straße ist topfeben, meine Durchschnittsgeschwindigkeit ist trotzdem niedriger als an allen Tagen zuvor. Im Ort treffe ich vor einer Bar vier niederländische Radpilger aus der Gegend von Nijmegen, von denen einer einen Platten flickt. In 14 Tagen sind sie wie ich um die 1100 km gefahren, allerdings auf der „offiziellen“ Pilgerroute. Nach einem großen Café au lait und einem Erdbeertörtchen aus der gegenüberliegenden Bäckerei läuft es bei mir wieder besser. Ich nehme mir vor, in Chatellerault zu übernachten, dort soll es einen Campingplatz geben. Die Stadt ist allerdings alles andere als einladend. Mein Verdacht ist, dass sich das berühmte, ungefähr 20 km entfernte Poitiers aller sozialen und städtebaulichen Probleme, die den Tourismus stören könnten, in Chatelleraut entledigt hat. Nach längerer Suche finde ich den Campingplatz hinter einem Gewerbegebiet am Südostrand der Stadt, an einer Bahnlinie mit viel Güterverkehr. Auf dem Platz begegnen mir zunächst 15 bis 20 junge Männer mit langen Bärten in weißen Gewändern, die ich für strenggläubige Muslime halte. Weiter hinten auf dem Platz spielt eine Gruppe junger Männer mit nordafrikanischen Wurzeln Fußball. Ständig kommen und gehen Jugendliche, die ganz offensichtlich nicht auf dem Platz wohnen. Daneben scheint es junge Familien mit mehreren Kindern zu geben, die hier dauerhaft beheimatet sind. Ich fühle mich wie ein Fremdkörper und bin froh, dass nach mir noch drei niederländische Radpilger ihre Zelte aufbauen. Später kommt ein belgischer Fußpilger mit Hund dazu. Als mein Zelt steht, meine Sachen gewaschen sind und ich geduscht bin, fahre ich zu einem großen Carrefour-Supermarkt in der Nähe und kaufe etwas zu essen und zu trinken ein. Während meines abendlichen Picknicks unterhalte ich mich mit den Pilgern. Über den Himmel ziehen dunkle Gewitterwolken, aus der Ferne ist Donner zu hören, es bleibt aber trocken.

Mit dem Rad von Essen nach Südfrankreich – Tag 13

13. Tag, Freitag, 20.05.2011, Amboise – Chinon, 79 km, 10:30 – 16:30 Uhr

Die Tauben im Baum über mir machen mich sehr früh wach. Ich schlafe dann aber doch noch mal tief und fest ein und komme erst spät wieder auf den Sattel, nachdem ich noch 6 Euro für die Übernachtung bezahlt habe. Bis Tours sind es keine 20 km auf der D 751. Ich erhoffe mir von der Stadt ein gutes Frühstück, stelle dann aber fest, dass sich die eigentlich schöne Innenstadt von Tours seit meinem letzten Besuch vor etwa 30 Jahren zwar zu einer riesigen Fress-Meile entwickelt hat, ein einfaches Frühstück mit einem Milchkaffee und Croissants finde ich aber nicht. Es gibt jede Menge Restaurants, dazu alle Arten von Fast-Food. Kein Meter Hausfassade, vor dem nicht Tische und Stühle stehen. Es ist gar nicht so einfach, mit dem vollen Rad durch die Fußgängerzone zu schieben, da auch hier große Touristengruppen unterwegs sind und wie Schafherden die Straßen blockieren. Eine amerikanische Gruppe wird von einem singenden Stadtführer angeführt. Drei Border-Collies wären wesentlich sinnvoller. Was ist aus dieser Stadt geworden? Am Rande der Innenstadt finde ich schließlich doch noch einen Bäcker, esse auf einer Bank am Flussufer, fahre schnell weiter und trinke meinen Kaffee erst viel später, weit außerhalb der Stadt.

Ab Savonnières fahre ich bei sommerlichen Wetter und weiterhin kräftigem Westwind auf der D 7 weiter und genehmige mir meine zweite Portion Energie-Gel, als ich merke, dass meine körpereigenen Reserven zur Neige gehen. In Huismes verlasse ich die Loire, erspare mir den Anblick des nächsten AKW und schwenke nach Süden, Richtung Chinon. Damit ist auch die Entscheidung getroffen, nicht dem Fluss bis zur Küste zu folgen, sondern, wie anfangs geplant, über Poitiers weiter nach Süden zu fahren. Rummel und Verkehr an der Loire sind mir einfach zu viel. Ich möchte wieder in ländlichere, ruhigere Gegenden, auch wenn ich dafür einige Hügel in Kauf nehmen muss. Mit den Hügeln geht´s auch sofort los. Zum Stadtrand von Chinon geht es stramm bergauf, um dann sofort wieder steil nach unten ins Zentrum und an das Ufer der Vienne zu gehen.

Der Campingplatz liegt sehr schön auf dem anderen Ufer, seine Atmosphäre ist familiär. Meine Nachbarn, ein älterer Herr und seine noch ältere Mutter stammen nach dem Autokennzeichen aus Paris und sehen so aus, als würden sie schon seit 30 Jahren auf genau demselben Rasenstück Urlaub machen. Jeder scheint hier jeden zu kennen. Außerhalb des Platzes, unmittelbar am Wasser, habe ich bei der Anfahrt eine improvisierte, gut besuchte Freiluft-Guingette gesehen. Alles wirkt sehr idyllisch, und ich fühle mich wieder wohler als an der Loire. Der Schreck kommt, als ich nach dem Zeltaufbau, der Wäsche und dem Duschen mein Rad genauer betrachte. Am Vorderreifen hat sich ein etwa 20 cm langer Abschnitt verformt. Die Lauffläche geht dort auseinander wie eine Fleischwurst in heißem Wasser. Mit diesem Reifen werde ich nicht mehr weit kommen. Das Hinterrad sieht intakt aus, allerdings ist das Profil noch stärker abgefahren als vorne. Ich frage nach einem Fahrradladen und höre zu meiner Erleichterung, dass es tatsächlich einen im Ort geben soll, allerdings ungefähr dort, wo vorhin meine rasende Abfahrt begonnen hat. Nach 21 Jahren hat auch ein Schwalbe-Marathon-Reifen jedes Recht, den Geist aufzugeben, ich werde aber den Verdacht nicht los, dass es gar nicht am Alter gelegen hat, sondern an einem viel zu hohen Luftdruck aus einer englischen Profi-Pumpe.

Am Abend sehe ich mir die volle Guingette aus der Nähe an, laufe auf der Brücke in Richtung Ortskern, sehe schon von weitem, dass die Bürgersteige hochgeklappt sind, drehe wieder ab, esse in einem unscheinbaren Lokal an der Brücke ein gutes Omelette und ein Eis, unterhalte mich nett mit der Lokalbesitzerin, die schon dabei war den Laden zu schließen und sich über die späte Einnahme freut. Wie sich herausstellt, ist sie vor Jahren mit ihrem Mann aus Paris an die Vienne gezogen und kann sich heute nicht mehr vorstellen, im Lärm der Hauptstadt zu leben.

Mit dem Rad von Essen nach Südfrankreich – Tag 12

12. Tag, Donnerstag, 19.05.2011, Bracieux – Amboise, 51 km, 12:00 – 16:00 Uhr

Gehe früh in den Ort, um zu frühstücken, mir den Markt anzusehen und Reinigungsmittel für das Zelt zu kaufen. Der Markt ist winzig. Im Hochsommer wird hier wahrscheinlich mehr los sein. Zurück auf dem Campingplatz leihe ich mir einen Eimer und wasche erst das Zelt. Danach nehme ich mir gründlich das Rad vor. Im Laufe des Vormittags leert sich der Platz fast völlig, und da im Ort auch nicht gerade viel los war, packe ich doch noch meinen Kram zusammen und verlasse den Platz kurz vor 12:00 Uhr. Nach einem netten Plausch mit dem Leiter des Touristenbüros von Bracieux fahre ich durch das Hinterland der Loire auf kleinen Straßen nach Westen. Am Straßenrand kaufe ich mir als Mittagessen eine Schale Erdbeeren „vom Erzeuger“, die großartig schmecken. Über Villesavin, Celettes und Les Montils erreiche ich in Candé-Beuvron wieder das Ufer des Flusses. Auf der D 751 fahre ich ziemlich flott neben der Loire. Einige Versuche, auf dem Radweg zu fahren, breche ich bald wieder ab. Zu mühsam. Entweder ist der Belag schlecht oder der Weg führt vom Ufer weg auf die Höhen über dem Fluss. Links neben der Straße geht es meist senkrecht nach oben. In den Felswänden gibt es viele Höhlen, in denen Restaurants, Weinkeller oder Verkostungsstände von Weinbauern untergebracht sind.

Am Nachmittag wird es ordentlich warm. Heute fühle ich mich bald schlapp und greife zu einer von zwei Portionen Maxim Energie-Gel, konzentrierte Kohlenhydrate und Mineralien, die mir ein Freund kurz vor der Fahrt noch als Notreserve mitgegeben hat. Das Zeug geht tatsächlich sofort ins Blut und katapultiert mich nach Amboise. Im Ort und vor seinem eindrucksvollen Schloss geht es zu wie in der Rüdesheimer Drosselgasse. Bustouristen aller Nationalitäten werden in 50er Trupps von Reiseleitern mit hochgehaltenen Regenschirmen durch die Gassen geschleust. Geschäfte und Bäckereien finde ich keine, dafür ein Restaurant neben dem anderen. Der Trubel geht mir schnell auf die Nerven, und ich fahre auf die Nordseite des Flusses, wo ich tatsächlich eine offene Bäckerei finde und mir ein belegtes Baguette kaufen kann.

Blick vom Campingplatz auf Amboise (c) Michael Kneffel

Der große, komfortable und für diese Jahreszeit schon gut besuchte Campingplatz liegt auf einer Insel im Fluss. Ich baue mein Zelt auf, wasche meine Klamotten, dusche und mache mich noch einmal auf in den Ort, wo ich eine nette Bar à Vin finde und zu einem leckeren Sauvignon einen herzhaften Salat bekomme, was mich wieder einigermaßen mit der Stadt versöhnt.