Gut gegessen in Paris

Üppig war der Platz nicht gerade, der uns im Bô Zinc für unser Mittagessen zugewiesen wurde. Ein kleiner Tisch unter einem großen Spiegel hinten im Lokal. Die Brasserie war nahezu ausgebucht. Hier saßen wir nun zwischen zwei Handwerken in Arbeitskleidung auf der einen und einem jungen Paar mit zwei kleinen Kindern auf der anderen Seite und konnten das rege Treiben in der Brasserie beobachten. Seit dem Morgen waren wir, beginnend an der Place du Trocadéro, über die idyllische Seine-Insel aux Cygne, durch die Rue Jean-de-la-Fontaine mit ihrem gediegenen Straßenmarkt zwischen prächtigen Jugendstilhäusern, durch das 16. Arrondissement bis zur beschaulichen Rue Boileau gestreift und waren nun auf der eleganten Avenue Mozart gelandet, wo sich unsere Mägen bemerkbar machten. Unterwegs hatten wir uns zuletzt schon einige Speisekarten angesehen, aber so richtig angesprochen hatte uns keine. Und auf die zahlreichen Pizzerien, die sich auch in dieser Gegend ausgebreitet haben, hatten wir so gar keine Lust. Vielleicht wären wir auch am unscheinbaren Bô Zinc im Haus Nummer 59 vorbeigegangen, wenn uns nicht eine geschäftstüchtige Kellnerin auf sympathische Weise hineinkomplimentiert hätte. Auch die anderen Mitglieder eines auffallend jungen Teams machten einen höchst professionellen Eindruck. Freundlich und schnell wurden die Karten gebracht und  die Bestellungen aufgenommen. Obwohl es im Lokal sehr lebhaft zuging und alle frei werdenden Tisch schnell wieder belegt wurden, blieb die Geräuschkulisse angenehm. Bei den meisten Gästen schien es sich um Stammgäste zu handeln, Menschen aller Alters- und sehr unterschiedlicher Einkommensgruppen aus den Büro und Geschäften der Nachbarschaft, die hier regelmäßig ihre Mittagspause verbringen. Im vornehmen 16. Arrondissement hatten wir mit höheren Preisen gerechnet. Die Tagesgerichte – traditionelle französische Küche – wurden unter 10 Euro angeboten, das kleine Glas Wein um die 3, der Café für 2, und die Desserts lagen bei 5 Euro. Da alles auch noch ausgesprochen gut schmeckte, war uns leicht nachvollziehbar, warum kein Tisch länger als 5 Minuten frei blieb.

Wand mit Serviettenregal in der Bar du Marché © Michael Kneffel

Wand mit Serviettenregal in der Bar du Marché © Michael Kneffel

Eine ähnlich gute Erfahrung machten wir am nächsten Mittag in einem anderen Teil der Stadt in der traditionelleren Brasserie Le Colibri an der Place de la Madeleine 8 im 1. Arrondissement. „Es kommt der Tag, da bedienen alte Männer alte Männer“, steht auf einer Postkarte, die in unserem Lieblingscafé zu Hause an der Wand hängt. Was dem deutschen Autor anscheinend als Schreckensvision erschienen war, gehört in Paris zum Glück immer noch zur Normalität: in Ehren ergraute Kellner mit weißem Hemd, schwarzer Fliege, Schürze und mit einer weißen Serviette über dem Arm, die ihre Stammgäste per Handschlag begrüßen und sie eigentlich gar nicht fragen müßten, welches der Tagesgerichte sie ihnen bringen sollen. Das Team im Le Colibri war alles andere als jung, aber ebenso professionell und kompetent wie bei unserem Mittagessen am Vortag. Hier geht die Chefin mittags von Tisch zu Tisch und plaudert mit den Stammgästen. Der Patron, der in Kellnermontur mit bedient, setzt sich auch schon mal zu den Gästen, die bereits beim Café angekommen sind, und bringt solche, die sich noch nicht kennen, miteinander ins Gespräch. Netzwerken auf traditionelle Art. Preislich spielt das Colibri in einer höheren Liga als das Bô Zinc, was in dieser Lage auch nicht völlig überrascht. Allerdings machen hier viele Gäste von der traditionellen Art, die Rechnung niedrig zu halten, Gebrauch: sie essen und trinken im Stehen am Tresen. Dort kostet das Tagesgericht 10 Euro und das Glas Wein ungefähr halb so viel wie am Tisch. Nach einem langen Vormittagsspaziergang durch das Szene-Viertel Belleville und später dann durch den Park der Tuilerien und die mondäne Gegend rund um die Place Vendôme waren wir jedoch sehr froh, das Treiben im Restaurant im Sitzen beobachten zu können.

Abschließend soll ein Restaurant nicht unerwähnt bleiben, das uns dort mit gutem Essen und Service und ebenfalls einer sehr traditionellen Atmosphäre überrascht hat, wo wir es am wenigsten erwartet hatten: mitten im rummeligen und touristischen Marais. In der Bar du Marché des Blancs-Manteaux in der Rue Vielle du Temple 53, findet sich sogar noch ein Regal an der Wand, in dem die Stoffservietten der Stammgäste über mehrere Tage aufbewahrt werden, bevor sie schließlich in die Wäsche gehen. Wer kein Stammgast ist und hier mittags essen möchte, sollte am besten schon früh um 12:00 Uhr kommen oder etwas Zeit mitbringen. Das Warten lohnt sich aber, wenn man die klassische französische Küche und Esskultur mag.

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