Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit – auch in Corona-Zeiten. Wieso klagt es niemand ein?

Nach unserem Grundgesetz Artikel 2, Absatz 2 besteht eine der vornehmsten Aufgaben unserer Regierenden darin, das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Nach über einem Jahr Corona-Epidemie, nach 75.000 Toten in unserem Land durch und mit Corona, nach Hunderttausenden, die schwer erkrankt waren und möglicherweise lange mit Folgeschäden zu kämpfen haben werden, frage ich mich, wie ernst unsere Bundesregierung und die Landesregierungen diese Verpflichtung tatsächlich nehmen und wie man sie dazu bewegen kann, Ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Halbherzige und windelweiche Beschlüsse einer Konferenz von Ministerpräsidentinnen, die schon am Tag der Verkündung in Frage gestellt und unterlaufen werden, für deren Verwirklichung wesentliche Voraussetzungen bekanntermaßen fehlen oder deren Umsetzung so miserabel organisiert wird, dass sich der Nutzen in sehr überschaubaren Grenzen hält, vermitteln das Gefühl, dass Leben und Gesundheit relativ geringe Werte sind, die gegen andere scheinbar gleichberechtigte oder höhere Werte aufgerechnet werden können.

Menschen, die in unserem Land der Meinung sind, dass ihre (Grund-)Rechte mißachtet oder eingeschränkt werden, haben die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen. Aus den vergangenen Monaten sind mir zahlreiche Klagen gegen Corona-Auflagen, gegen Kontaktbeschränkungen, gegen vermeintliche Grundrechtseinschränkungen bekannt. Ich kenne aber bisher keinen einzigen Versuch, unsere Regierenden mit rechtlichen Mitteln zu einem konsequenteren und effektiveren Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit zu zwingen. Wieso eigentlich?

Mir ist wirklich unklar, warum bisher immer nur diejenigen aktiv werden, denen die inkonsequenten, nahezu nutzlosen, zuletzt schon hilflos oder lächerlich wirkenden Corona-Auflagen immer noch zu streng sind. Warum führen Enttäuschung, Wut und Fassungslosigkeit über das gegenwärtige Staats- und Politikversagen zu keinen Initiativen und Aktionen bei der sehr viel größeren Zahl von Menschen, die nicht nur an ihren nächsten Mallorca-Urlaub denken, denen das Leben und die Gesundheit ihrer Angehörigen wichtiger sind als die Bilanzzahlen der deutschen Automobilindustrie, für die ein frischer Haarschnitt nicht das höchste aller Menschenrechte ist.

Sollten tatsächlich keine Rechtsmittel möglich und keine Rechtswege gangbar sein? Welche Gerichte sind in welcher Form anzurufen, wenn man der Meinung ist, dass das zentrale Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht ausreichend geschützt wird, wenn man befürchtet, dass unzureichende Maßnahmen und unverantwortliches Zögern auch in der gegenwärtigen Corona-Welle wieder zehntausende Menschen völlig vermeidbar das Leben kosten wird? Es ist höchste Zeit zu handeln.

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