Nizza schwarz-weiß

Nizza im August. Die Sonne scheint mit aller Macht und bringt die Farben zum Leuchten. Blauer Himmel, türkisfarbenes Meer, bunte Markisen, Hausfassaden in allen denkbaren Ockertönen. Eine Farborgie. Dazu ist es heiß, voll und laut. Reizüberflutung? Vielleicht gefallen mir deshalb von allen Fotos, die ich mitgebracht habe, einige Schwarz-Weiß-Aufnahmen am besten.

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

Nizza im August © Michael Kneffel

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Mein Foto der Woche – Bonbonfarben am Hafen von Nizza

Im August kann Nizza schon anstrengend sein, voll, laut, grell, heiß. Aber dann entschädigen immer wieder die unfassbar vielen Ockertöne, in denen die Fassaden der Altstadthäuser gestrichen sind. Und da Nizza auch die Stadt der Süßigkeiten ist, darf es auch schon mal ins Bonbonfarbene gehen, wie hier am Hafen.

Bonbonfarben am Hafen von Nizza © Michael Kneffel

Bonbonfarben am Hafen von Nizza © Michael Kneffel

Mein Foto der Woche – Karneval in Nizza

Karneval in Nizza © Michael Kneffel

Karneval in Nizza © Michael Kneffel

Mein Foto an diesem Rosenmontag stammt vom Karnevalumzug 2005 auf der Promenade des Anglais in Nizza. Tolle Motivwagen und riesige Ballons, lauter fröhliche Menschen, ein Fest für die ganze Familie und der Beweis dafür, dass man auch ohne Alkohol viel Spaß haben kann. Bis weit in die Nacht hinein habe ich auf den Straßen keine Betrunkenen gesehen.

Und weil´s so schön war, noch zwei Fotos.

Karneval in Nizza © Michael Kneffel

Karneval in Nizza © Michael Kneffel

Karneval in Nizza © Michael Kneffel

Karneval in Nizza © Michael Kneffel

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Poilhes – Idylle am Canal du Midi

„Ob an der Küste oder im Hinterland, in der Ferienregion Languedoc-Roussillon herrscht ein heiteres Lebensgefühl, das Gäste auf Anhieb in den Bann zieht. Am Strand, in Bistros und Restaurants, auf Märkten und bei Festen, überall herrscht diese typische Art de vivre, die den Urlaub im Süden Frankreichs so bereichert.“ So hat die PR-Agentur Ducasse / Schetter, spezialisiert auf die Vermarktung von Reisezielen in Frankreich und der Schweiz, unlängst das Languedoc-Roussillon beschrieben. Schon vorher hatten wir diese Region im Süden Frankreichs für unseren diesjährigen Frühjahrsurlaub ausgesucht. Nach fünfzehn Jahren wollten wir noch einmal vor allem die Gegend am Canal du Midi durchstreifen – überwiegend mit dem Rad. Als Ausgangspunkt für unsere Streifzüge hatten wir das kleine Örtchen Poilhes ausgesucht. Und das war ein großer Glücksgriff.

der Canal du Midi in Poilhes © Michael Kneffel

der Canal du Midi in Poilhes © Michael Kneffel

Direkt am Canal gelegen wirkt das Weinbaudörfchen ein wenig wie aus der Zeit oder einem Bilderbuch gefallen. Große alte Wirtschaftsgebäude zeugen vom Reichtum ansässiger Weinbauern, die Wohnhäuser machen einen sehr gepflegten Eindruck. Es gibt ein kleines, altes Chateau im Dornröschenschlaf, dessen Dach gerade renoviert wurde, eine leicht zu übersehende, aber nicht zu überhörende Kirche, deren Glocke zu jeder Viertelstunde schlägt, und ein bemerkenswert gut sortiertes winziges Lebensmittelgeschäft, in dem sich alles findet, was man für die Grundversorgung benötigt. Souverän geführt wird der Laden von einer freundlichen alten Dame, weit im Rentenalter, aber mit einer so würdevollen Haltung und korrekten Sprache, dass es nicht verwundern würde, wenn sie früher einmal die benachbarte Grundschule geleitet hätte. Dort wird immer noch unterrichtet, und in den Pausen sind die Stimmen der Kinder auf dem Schulhof fast im ganzen Dorf zu hören.

gefiederte Einwohnerin von Poilhes © Michael Kneffel

gefiederte Einwohnerin von Poilhes © Michael Kneffel

Und während in vielen südfranzösichen Dörfern die alten Restaurants und Cafés längst für immer geschlossen haben, bietet Poilhes gleich drei Restaurants mit ambitionierter Küche. Die Lage am Kanal und das ständige Defilee von Hausbooten mit zahlungskräftigen Touristen sichern das Überleben. Hausbootfahrer, die von der Küste kommen und hier Station machen, sehen schon bei der Einfahrt ins Dorf die Terrasse des „Tour Sarrasine“ und müssen nach dem Anlegen nur noch – an der Dorfgans vorbei – eine schmale Straße überqueren, um dort Platz nehmen zu können. Die Speisekarte ist umfangreich, das Essen großartig, und die Preise sind mehr als fair. Drei Gänge in dieser Qualität muss man anderswo schon etwas länger suchen und bekommt sie garantiert nicht für dreißig Euro, sondern bestenfalls für das Doppelte. Drinnen ist das Restaurant elegant eingerichtet, Steifheit kommt trotzdem nicht auf, dafür sorgt die herzliche Besitzerfamilie, mit Mitgliedern aus drei Generationen. Clemence, die Jüngste, lernt gerade das Laufen. Der aus Liège stammende Kellner scheint in allen auf dem Canal vorkommenden Sprachen zu Hause zu sein und bringt die bunte, internationale Gästeschar mit Humor und Gelassenheit durch einen entspannten und genussreichen Abend.

das wunderbare kleine Restaurant Les Platanes in Poilhes © Michael Kneffel

das wunderbare kleine Restaurant Les Platanes in Poilhes © Michael Kneffel

Etwas versteckter im Ort, neben der Kirche, liegt ein völlig anderes, aber ebenso empfehlenswertes Restaurant, das „Les Plantanes“ von Amanda und Dave, zwei sympathischen Neuseeländern, die vor sieben Jahren nach Frankreich übersiedelt sind und sich vor einem Jahr in Poilhes niedergelassen haben. Ihre Speisekarte ist überschaubar, dafür wechseln die angebotenen Gerichte häufig. Mit frischen Zutaten aus der Region bietet „Les Platanes“ Klassiker der französischen Küche wie den gebackenen Camembert oder die Zwiebelsuppe in seltener Qualität und zu noch günstigeren Preise als die Konkurrenz im Ort. Aber auch das neuseeländische Dessert „Pavlova“ sollte man sich nicht entgehen lassen. Als Besitzer eines Chateaus am Atlantik, das gerade zum Verkauf steht, und eines Hauses in den Pyrenäen haben die beiden viel zu erzählen und lassen sich gern am Nachmittag auf einen kleinen Schwatz auf der Terrasse ihres Lokals ein. Angesichts des hohen Wohlfühlfaktors in beiden Restaurants haben wir es gar nicht mehr bis zum dritten gastronomischen Anbieter geschafft. Am Rand des Ortes gelegen bietet das „Vinauberge“ neben Speisen auch Gästezimmer und verkauft Weine aus der Region.

Capestang mit der Kirche Saint Etienne © Michael Kneffel

Capestang mit der Kirche Saint Etienne © Michael Kneffel

Erster Anziehungspunkt außerhalb von Poilhes war für uns das nur vier Kilometer entfernte, ungleich größere und ebenfalls am Canal gelegene Capestang. Am Sonntag zieht der große Wochenmarkt sehr viele Menschen an. Unter der Woche wirkt der Ort mit seiner weithin sichtbaren, immer wieder erweiterten, imposanten Kirche jedoch merkwürdig unbelebt, was er mit vielen anderen Dörfer und Städten gemein hatte, die wir noch besuchen sollten. Auf Naturliebhaber, insbesondere Vogelfreunde, müsste Capestang eigentlich eine starke Anziehungskraft ausüben. Südlich der Stadt liegt der sogenannte Etang de Capestang, ein versumpfter, von mehreren Kanälen und einigen Wegen durchzogener ehemaliger See mit großen Schilfgebieten. Als wir ihn auf einer unserer Fahrradtouren eher zufällig durchquerten, sahen wir schon mit bloßem Auge so viele Störche, Reiher und andere Wasser- und Watvögel, die wir nicht identifizieren konnten, dass wir mit Hobbyornithologen in großer Zahl und von überall her rechneten. Weit gefehlt! Im Tourismusbüro von Capestang sah uns die freundliche Mitarbeiterin ziemlich verständnislos an, als wir nach Wanderwegen und geführten Touren durch dieses Gebiet fragten. Und auch andere Menschen, die vor Ort leben, fanden unsere Berichte von den Tieren im Etang sehr interessant, gestanden aber, noch nie dort gewesen zu sein. Etwas weiter ist man am Etang de Vendres, der etwa 15 Kilometer weiter südöstlich und damit unmittelbar vor der Küste liegt. Hier gibt es immerhin schon einen großen Beobachtungsstand mit einigen Informationen zu den dort anzutreffenden Vögeln. Dass in den Weinfeldern der Gegend unzählige Bienenfresser leben und fliegen, sei nur am Rande erwähnt.

im Beobachtungsstand am Etang de Vendres © Michael Kneffel

im Beobachtungsstand am Etang de Vendres © Michael Kneffel

Nicht viel weiter als Capestang, aber in östliche Richtung, liegt der etwas kleinere Ort Colombiers am Canal du Midi. Auf dem Weg dorthin ist der Kanaltunnel von Malpas zu besichtigen, ebenso wie das Oppidum d´Ensérunes – berühmte gallische Siedlungsreste, auf einem Hügel gelegen. Das benachbarte Informationszentrum von Malpas bietet viele Modelle, Karten und Reliefs und ein großes Literaturangebot zum Weltkulturebe Canal du Midi und zur Region. Durch den Bau eines großen Hafens im Jahr 1989 hat sich Colombiers zu einem Zentrum des Hausboottourismus entwickelt. Schön ist was anderes. Als wir mit unseren Rädern etwas irritiert im Rummel des Hafens standen und die hässlichen Zweckbauten betrachteten, fragte uns eine ältere Dame – offensichtlich aus dem Ort – was wir suchten und ob sie uns helfen könne. Auf unsere etwas ironische Antwort, wir suchten den Ort, hob sie resignierend die Schultern und entgegnete, es sei halt praktisch und einen Arzt gebe es auch. Wie viele Planungs- und Bausünden sind wohl schon mit dem Satz: „Es ist halt praktisch“, begründet worden?

im Hafen von Colombieres © Michael Kneffel

im Hafen von Colombieres © Michael Kneffel

Von unserem ersten Besuch am Canal du Midi vor 15 Jahren hatten wir das kleine Le Somail, etwa zwanzig Kilometer weiter westlich, in bester Erinnerung. Und auch heute noch wird der Ort in jedem Führer als Schönheit am Kanal beschrieben. Uns hat das Wiedersehen eher enttäuscht. Zu der malerischen Ansiedlung weniger Häuser an der alten Brücke hat sich eine große Neubausiedlung gesellt, die sich scheinbar planlos in die Landschaft ausdehnt. Neu hinzugekommene Gastronomie und ein großer Parkplatz für Wohnmobile haben auch nicht gerade den Charme des Ortes erhöht. Da gefiel es uns schon wesentlich besser am benachbarten Canal de Jonction, der den Canal du Midi als Verbindungskanal mit der Küste bei Narbonne verbindet und von herrlichen Pinien gesäumt wird. Wer mit dem Hausboot auf dem Canal du Midi unterwegs ist, sollte sich den Abstecher nach Sallèles-d´Aude nicht entgehen lassen. Auch wenn der Ort selbst bei unserem Besuch nahezu ausgestorben wirkte, gehören die dortigen Liegeplätze zu den schönsten, die man weit und breit ansteuern kann.

Hausboot in Sallèles-d´Aude © Michael Kneffel

Hausboot in Sallèles-d´Aude © Michael Kneffel

umgebaute Lastkähne in Sallèles-d´Aude © Michael Kneffel

umgebaute Lastkähne in Sallèles-d´Aude © Michael Kneffel

Es stimmt also, dass sich immer noch wunderschöne Dörfer und Landschaften in diesem Teil des Südens finden lassen. Auf der anderen Seite ist aber auch hier nicht zu übersehen, dass sich Frankreich in einer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise befindet und dass vielen Menschen das „heitere Lebensgefühl“, von dem eingangs die Rede war, abhanden gekommen ist. In zwei Wochen haben wir Armut, Elend und die Verödung von Städten in einem Ausmaß erlebt, wie wir es bisher nicht für möglich gehalten hätten. Wir sahen erschreckend viele Menschen, die vor einer karitativen Einrichtung um Lebensmittel anstanden, eine Familie mit Kind, die in Narbonne auf der Straße lebt, Dutzende von Frauen, die sich an der Landstraße zwischen Bèziers und Narbonne prostituierten. Das und einiges mehr hat uns sehr nachdenklich gemacht und ließ uns ahnen, warum gerade hier der rechtsradikale Front National bei der jüngsten Europawahl in vielen Kommunen weit über dreißig Prozent der Wählerstimmen bekommen hat.

aufgegebene Boulangerie in Sallèles-d´Aude © Michael Kneffel

aufgegebene Boulangerie in Sallèles-d´Aude © Michael Kneffel

 

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Wanderung mit Boris Sieverts auf dem GR 2013 in Marseille und Umgebung

Hafenumbau in Marseille 2002 © Michael Kneffel

Hafenumbau in Marseille 2002 © Michael Kneffel

Nach jahrelangem Umbau stellt die aktuelle europäische Kulturhauptstadt Marseille Provence 2013 ihre neuen Schokoladenseiten heraus: das über dem Alten Hafen gelegene und massiv umgebaute Altstadtquartier Panier, das neue Museum der Mittelmeerzivilisationen MUCEM, das neue Geschäftsviertel Euromediterranée…“Nicht kleckern, sondern klotzen“, lautete in den vergangenen Jahren die Devise der offiziellen Planer. 60 Kultureinrichtungen wurden für insgesamt 660 Millionen Euro um- oder neu gebaut, in Marseille selbst und in rund 80 weiteren Städten und Dörfern der Provence. Das Kulturprogramm für 2013 kostet 98 Millionen und umfasst mehr als 400 Veranstaltungen.

Wenn Boris Sieverts vom Kölner Büro für Städtereisen für den September eine dreitägige Wanderung in Marseille und Umgebung anbietet, darf man sicher sein, dass die Schokoladenseiten der Region und offizielle Programmhöhepunkte keine Rolle spielen werden. In seiner Ankündigung schreibt er:

„Marseille, die „Stadt der 118 Dörfer“ kennzeichnet ein völlig unvermitteltes Nebeneinander von alten Gassen und Großsiedlungen, Boulevard und Brache, Armut, kleinbürgerlicher Idylle und mediterranem Luxus. Ihre starken Kontraste sowie die Lage der Stadt  zwischen der See und einer Felsenarena, von der aus sich fantastische Blicke ergeben, haben in Marseille eine in Europa einmalig lebendige Szene von Stadtwanderern enstehen lassen. Im Rahmen der Kulturhauptstadt Marseille Provence 2013 haben sie den weltweit ersten urbanen Fernwanderweg geschaffen, den GR2013. Auf 360 km Länge verbindet er die Städte des Großraums Marseille zu einer liegenden 8, an deren Schnittpunkt der TGV-Bahnhof Aix Provence liegt. Das Büro für Städtereisen hat das Glück und die Ehre, im Auftrag von MP2013 eine dreitägige Wanderung auf dem GR2013 anbieten zu können. Die Reise folgt dabei nicht genau dem Verlauf des GR2013, der, als offiziell ausgewiesener Wanderweg, zahlreichen Einschränkungen unterliegt, sondern nimmt die Idee einer großräumigen Stadterkundung auf eigene Weise auf, optimiert, variiert und umspielt sie.“

Im Abwasserkanal an der A 40 © Michael Kneffel

Im Abwasserkanal an der A 40 © Michael Kneffel

Was es bedeutet, wenn Sieverts die Idee einer Stadterkundung „auf eigene Weise“ aufnimmt, optimiert, variiert und umspielt, durfte ich im Jahr 2001 im Ruhrgebiet erleben. Zusammen mit anderen Teilnehmern/-innen der Herbstakademie „Stadtraum B1“ nahm ich an seiner Exkursion entlang der Autobahn A 40 teil. Zwischen Dortmund und Bochum führte uns Sieverts durch einen völlig unbekannten und faszinierenden Stadtraum – über Brachen, durch verwilderte Schrebergärten, über Autobahntankstellen, durch Abwasserrohre, über Mauern und hinter Lärmschutzwände. Mir und den anderen Teilnehmern/-innen wird diese Wanderung immer in Erinnerung bleiben.

Mauerklettern mit Boris Sieverts © Michael Kneffel

Mauerklettern mit Boris Sieverts © Michael Kneffel

Es hat mich nicht im Geringsten überrascht, dass Manuel Andrack, Deutschlands oberster Wanderer, der nur einen Tag lang dem GR 2013 bei Marseille folgte und darüber in DER ZEIT vom 13. Juli berichtete, diese Wanderung als aufregendste seines Lebens bezeichnete.

Mehr als schade, dass ich im September nicht mitwandern kann.

Start: Donnerstag, 12. September, 10.30h, Aix-en-Provence – Gare TGV
Ende: Samstag, 14. September, gegen 20h im Stadtzentrum von Marseille
Mitbringen: Schlafsack, Wanderschuhe, Badesachen, Taschenlampe
Kosten: 200,- Euro alles Inklusive, außer der Anreise

Reservierungen:
Boris Sieverts
Büro für Städtereisen
Schleiermacherstraße 8
51063 Köln
borissieverts@gmx.de
tel. 01714160572

Im Bistrot de Pays von Claudette

Wir wurden gewarnt. Wenn wir am Sonntagmittag nicht früh ins Bistrot „Chez Claudette“ gingen, würden wir keinen Platz mehr bekommen. Also machten wir uns zeitig auf den Weg und stellten fest, dass die Warnung mehr als berechtigt war. Auf der Straße vor dem Bistrot standen mehrere Menschen in kleinen Grüppchen und schienen noch zu überlegen. Also nichts wie rein! Ein Großteil der Bevölkerung aus St. Roman-de-Malegarde und den umliegenden Dörfern schien bereits im gut gefüllten Gastraum versammelt zu sein. Zum Glück hatte die resolute Namensgeberin des Bistrots  den Ansturm souverän im Griff und fand auf der Terrasse auch für uns noch ein Plätzchen.

Ein wirklich guter Roter („Wir sind hier in einer Weinbauregion!“) stand schon auf dem Tisch, unsere Bestellung war zügig aufgenommen und wir konnten uns ohne jede Wartezeit am gut bestückten Vorspeisenbuffet bedienen. Favorit bei den vielen Stammgästen war hier eindeutig die gewaltige Fleischpastete, von der beachtliche Scheiben auf die Teller wanderten. Als Hauptgerichte gab es gute Hausmannskost. Wir hatten die Auswahl zwischen einem Fleisch- und einem Fischgericht. Danach konnten wir zwischen einem Dessert und der Käseplatte wählen. Und auch beim Käse musste sich niemand zurückhalten. Das Ganze kostete  12 Euro pro Person! Der kleine Schwarze, den wir anschließend im vorderen Gastraum an der Theke tranken, um nicht länger als nötig den begehrten Tisch zu blockieren, kostete gerade mal einen Euro und war vorzüglich. Kein Wunder also, dass die Stimmung im Restaurant ausgezeichnet war. Es wurde viel gelacht und von einem Tisch zum anderen parliert. Die familiäre Atmosphäre und das gute Essen bei Claudette haben wir so genossen, dass wir gern auch unter der Woche wieder zu ihr gegangen sind.

Claudettes Bistrot erwies sich für uns als Glücksfall. In den ersten Tagen unseres Frühjahrsurlaubs hatten wir feststellen müssen, dass Restaurants in der Umgebung unseres Ferienorts Villedieu, einige Kilometer nördlich von Vaison-la-Romaine in der Vaucluse, Mangelware sind. Und schon seit Jahren beobachten wir auf unseren Reisen in Frankreich, dass dort in vielen ländlichen Regionen Geschäfte, Cafés und z. B. Poststationen auf dem Rückzug sind. Große Supermärkte am Rande der Oberzentren, Versandhändler, veränderte  Ess- und Lebensgewohnheiten haben ihnen die Existenzgrundlage entzogen. Pro Jahr schließen etwa 1000 ländliche Bistrots, womit wichtige Treffpunkte für die Bevölkerung verloren gehen. Zurück bleiben oft seltsam unbelebte Orte, manchmal gerade noch für wenige Wochen in den Ferien mühsam reanimiert. Betroffen sind von dieser Entwicklung vor allem die Menschen, deren Mobilität eingeschränkt ist.

ImprimerUnter dem Label „Bistrots de Pays“ versucht in Frankreich bereits seit zwanzig Jahren eine landesweite Initiative gegenzusteuern und die Grundversorgung sowie das Zusammenleben in Kommunen mit weniger als 2000 Einwohnern abzusichern. Sie unterstützt gegenwärtig etwa 250 selbständige Gastronomen, aber nur wenn diese auch  bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen. Dazu gehört, dass sie täglich eine Auswahl an Speisen und Getränken aus der regionalen Produktion zu moderaten Preisen anbieten, und zwar das ganze Jahr über. Wenn es keine Lebensmittelgeschäfte mehr im Ort gibt, müssen die Bistrots diese Aufgabe mit übernehmen. Viele von ihnen fungieren auch als Verkaufsstellen für Zeitungen, Tabakwaren und Briefmarken. Daneben wird von ihnen erwartet, dass sie mindestens drei Mal im Jahr kulturelle Veranstaltungen organisieren und für ihre Gäste lokale touristische Informationen bereit halten.

Wer nach Frankreich fährt, kann sich leicht auf der Internetseite http://www.bistrotdepays.com einen Überblick über die Standorte verschaffen, unter anderem auf der Übersichtskarte http://www.bistrotdepays.com/bistrots-de-pays-carte/. Wir suchen bei unseren Planungen inzwischen gezielt nach diesen ländlichen Bistrots und nehmen für sie auch schon mal einen Umweg in Kauf.

Mit dem Rad von Essen nach Südfrankreich – Tag 15

15. Tag, Sonntag, 22.05.2011, Chatelleraut – Poitiers, Bordeaux – Biganos, 78 km, 8:30 -18:30 Uhr

Die Nacht blieb trocken. Ich stehe um 6:30 Uhr auf, muss warten, bis das Sanitärgebäude aufgeschlossen wird, und starte um 8:30 Uhr. Meine bärtigen Nachbarn in den langen Gewändern beenden in der hintersten Ecke des Platzes gerade ihre Morgengebete. Es ist kühl, der Wind bläst kräftig von vorn, und ich komme kaum voran. In Cenonne-sur-Vienne überquere ich den Fluss und fahre auf dem Westufer des Clain auf Poitiers zu. Die Reifen scheinen an der Straße zu kleben. Jeder Hügel wird zur Qual. Selbst bergab habe ich das Gefühl, kräftig treten zu müssen, um nicht stehen zu bleiben. In meinen Reifen ist viel zu wenig Luft, aber mit meiner Handpumpe bekomme ich nicht mehr hinein. Von den erfolglosen Versuchen schmerzt jetzt auch noch meine linke Schulter. Nach zwei Stunden Fahrt bin ich völlig platt und demoralisiert. Kurz vor Poitiers schließen drei niederländische Radpilger im Rennfahreroutfit auf, die auf dem Weg nach Santiago bzw. Lourdes sind. Wir plaudern kurz miteinander, ich beschreibe mein Reifenproblem, sie halten sofort an, und pumpen mir die Reifen mit ihren Hochleistungspumpen auf. Danach läuft das Rad deutlich besser, trotzdem überholen mich bald ziemlich flott zwei der Radpilger vom letzten Campingplatz. Mir schwant, dass ich am Ende meine Kräfte bin. Zu wenig und zu unregelmäßig gegessen. Keine richtigen Regenerationspausen. Schließlich noch die viel zu weichen Reifen. Von Poitiers bis zur Atlantikküste, meinem nächsten Ziel, würde ich drei Tage lang durch hügeliges Gelände fahren müssen. In meinem jetzigen Zustand schaffe ich das nicht. Ich habe aber auch keine Lust, in dieser Gegend und womöglich auf ähnlichen Campingplätzen wie in Chatelleraut mehrere Tage zu pausieren, um meine Akkus wieder aufzuladen.

Als ich mittags die Stadt erreiche, steuere ich sofort den Bahnhof an und löse ein Ticket samt Reservierungen für mich und mein Rad im TGV nach Bordeaux, Abfahrt 12:48 Uhr, Ankunft 14:39 Uhr. Zwei Fahrstühle, in die ich mit knapper Not das Rad bekomme, bringen mich auf meinen Bahnsteig. Treppen hätte ich mit dem schweren Rad nicht steigen wollen und auch nicht können. Das Fahrradabteil befindet sich in Wagen 11 direkt hinter dem Triebwagen. Zwei Stufen bis in den Wagen, dann noch einmal zwei Stufen bis ins Abteil. Für das Rad müssen 4 Sitze unter einem Fenster hochgeklappt werden. Maximal zwei unbeladene Räder dürfen dort abgestellt werden. Ein Rennrad steht schon dort. Sein Besitzer hilft mir, meinen Lastesel mit Gurten zu befestigen. Ich lasse das Gepäck am Rad, ohne dass es irgendjemanden stört. Meine erste Fahrt in einem TGV hatte ich mir schneller vorgestellt. Der Zug braucht fast 2 Stunden für gute 200 km.

In Bordeaux kann ich den Bahnsteig komfortabel über eine lange Rampe verlassen. Aus der Bahnhofshalle im Untergeschoss gelange ich über die Tiefgarage ins Freie.  Ich suche auf dem Vorplatz einen Stadtplan, finde nichts, auch nicht das Touristenbüro, das hier irgendwo sein soll und von dem ich mir Übersichtskarten mit den Radwegen der Region erhofft hatte. Also orientiere ich mich an der Sonne und setze mich Richtung Westen in Bewegung. Mein Ziel ist das Becken von Arcachon am Atlantik, ungefähr 40 Km entfernt. Bordeaux ist keine Kleinstadt. Bis zur Stadtgrenze durchquere ich große und wenig attraktive Vororte. In einem mache ich Pause und esse ein Sandwich. Ab hier muss ich auf der N 250 nur noch immer geradeaus fahren. Normalerweise meide ich diese großen Nationalstraßen, aber hier gibt es weit und breit keine Alternative. Auf dem glatten Asphalt und mit der Unterstützung von Traubenzucker komme ich gut voran. Kurz nach 18:00 Uhr erreiche ich Biganos und finde einen kleinen Campingplatz am Rand des Ortes, an der Straße nach Audenge. Der Platz macht einen guten Eindruck, befindet sich aber noch im Vorsaisonschlaf. Nur die ausgehungerten Riesenmücken sind hellwach und stürzen sich auf mich. Eine einzige Toilette ist geöffnet, auch die meisten Duschen und Waschkabinen sind noch verschlossen. Ich baue in der Nähe von einem älteren niederländischen Paar auf, das den Santiago-Pilgerweg in umgekehrter Richtung befährt. Als das Zelt steht und ich geduscht bin, gehe ich in die zum Platz gehörende Bar, wo ich der einzige Gast bin. Mein Hunger hält sich in Grenzen, aber um den Abend zu füllen, esse ich eine dick mit vier Käsesorten belegte Pizza und trinke dazu zwei Bier. Ich bin glücklich, wieder im Flachland zu sein, am nächsten Tag den Atlantik zu sehen, weiß aber noch nicht, wie es dann weitergehen soll. Nach meiner ursprünglichen Planung wollte ich weiter nördlich auf die Küste treffen und sie südlich von Arcachon wieder verlassen, um dann durch das schöne Waldgebiet der „Landes“ Richtung Canal du Midi zu fahren. Auf diesen Abschnitt der Tour hatte ich mich besonders gefreut. Aber heute habe ich gemerkt, dass ich mit meinen Kräften am Ende bin und dringend eine Pause benötige.

Mit dem Rad von Essen nach Südfrankreich – Tag 9

09. Tag, Montag, 16.05.2011, St.-Germain-lès-Corbeil – Bagneaux-sur-Loing, 80 km, 9:45-17:00 Uhr

Am Morgen ist es sonnig, windig und zunächst wieder kühl. Nach einem guten Frühstück fahre ich entlang der Seine nach Südosten, durchquere einen Wald auf schönen Wegen und sehe prächtige Häuser und Anwesen am Ufer des Flusses. Besonders gut gefällt mir das hübsche und lebendige Seine-Port. Mittags mache ich Pause in Melun und bestelle in einem Restaurant das „Formule“, eine Vorspeise, eine Hauptspeise und ein Dessert von der Karte nach Wahl für 12,90 Euro. Die meisten Restaurants machen mittags solche günstigen Angebote. Der Kellner versucht dann zwar, mir die Einzelpreise laut Karte in Rechnung zu stellen und mehr als das Doppelte des Formule-Preises abzuknöpfen, merkt aber schnell, dass ich mich nicht über den Tisch ziehen lassen möchte. Während des Essens habe ich mich mit einem Mann unterhalten, der in jungen Jahren durch Norddeutschland getrampt ist und anscheinend seine Deutschkenntnisse auffrischen möchte.

Lastkähne auf der Seine bei St.-Mammes (c) Michael Kneffel

Bei St.-Mammes verlasse ich das Seine-Ufer und folge von dort an dem Canal du Loing. In Nemours, wo ich eine kurze Pause einlege, treffe ich anschließend mitten auf der Loing-Brücke einen Santiago-Radpilger auf der Rückfahrt nach Deutschland, behängt mit allen erdenklichen Insignien der Pilgerschaft, Kreuze, Jakobsmuscheln, Pilgerstab usw., der sofort anhält und mir seine Geschichte erzählt, während er sich in aller Ruhe eine Zigarette dreht.  Mehr als 4000 km hat er bereits hinter sich, muss in dreieinhalb Stunden seinen vorgebuchten Zug im ca. 80 Km entfernten Paris erreichen, hat nach einer Radreparatur, die ihn um zwei Tage zurückgeworfen hat, keinen Cent mehr in der Tasche und seit zwei Tagen nichts gegessen, ist aus den Kirchen der Umgebung rausgeflogen, als er um eine kleine finanzielle Unterstützung gebeten hat. Ich bin schwer beeindruckt und helfe F., der aus der Gegend von Köln stammt und mit Hamburger Akzent spricht, mit einigen Euro aus, bevor wir uns verabschieden und in entgegengesetzten Richtungen weiterfahren.

Um 17:00 Uhr erreiche ich nach einer ruhigen Fahrt den kleinen Campingplatz von Bagneaux-sur-Loing, der unweit der einzigen Fabrikanlage liegt, die ich an diesem Tag gesehen habe. Ein typischer Dauercamperplatz neben der Sportanlage des Ortes. Kaum Menschen zu sehen. Das Duschwasser ist nahezu kalt. Aus allen anderen Warmwasserhähnen kommt dagegen fast kochend heißes Wasser.

Der Wechsel auf meine zweite Radhose mit einem dickeren Polster hat sich bewährt. Ich bin ohne neue Blessuren durch den Tag gekommen. Nur das rechte Hüftgelenk macht sich etwas bemerkbar. Ich verzichte darauf, noch einmal in den Ort zu fahren, und lege mich früh schlafen.

Mit dem Rad von Essen nach Südfrankreich 4 – Generalprobe erfolgreich

mein Drahtesel als Packesel, (c) Michael Kneffel

Gestern war Generalprobe für meine Fahrt. Zum ersten Mal habe ich das Rad nahezu komplett beladen und bin eine Strecke von knapp 50 Km gefahren. Anfangs kam es mir so vor, als würde der Lenker wackeln wie ein Lämmerschwanz, mein Starttempo war deutlich niedriger als an den Vortagen, dafür schnellte mein Puls in ungewöhnte Höhen, die erste längere Steigung nahm ich im kleinsten Gang. Nach 3-4 Km und auf ebener Strecke lief es dann aber schon ausgesprochen gut. In Essen-Kettwig schickte mich leider eine offizielle Radweg-Umleitung ziemlich steil hinunter an die Ruhr und mitten in´s Schotterbett einer Großbaustelle. Über Kilometer wird hier der Radweg erneuert. Essen,  die angebliche so fahrradfreundliche Stadt, kämpft offensichtlich engagiert weiter um die mehr als einmal gewonnene „Rostige Speiche“. Ich kann mir gut vorstellen, welcher Sturm der Entrüstung durch die Lokalzeitungen tobte, wenn eine Umleitung für PKW so endete. Nach einigen Meter im Schotter wechselte ich auf die Traktorspur im benachbarten Getreidefeld und bewunderte mein Rad und insbesondere die alten Reifen dafür, wie sie mit dieser Wegstrecke fertig wurden. Ein Rad, das Essener Straßen und Wege aushält, kommt auch bis nach Südfrankreich!

Lieber auf den Acker oder in den Schotter? (c) Michael Kneffel

Durch Kettwig ging es dann auf normalen Straßen und im dichten Feierabendverkehr entlang der Ruhr nach Essen-Werden. Am Baldeneysee stellte sich dann endlich ein, worauf ich bei meiner Frankreichtour so freue: entspanntes, lautloses Gleiten durch eine schöne Landschaft.

Natürlich war es etwas anstrengender mit dem vollen Gewicht zu fahren, aber ich hatte am Ende überhaupt nicht das Gefühl, mich verausgabt zu haben. Schon nach den vier Wochen Vorbereitung spüre ich, wie sich mein Gesamtkonstitution erheblich verbessert hat. Den kommenden Wochen in Frankreich sehe ich gelassen und mit großer Vorfreude entgegen.